Iris Otto, Prof. Dr. Andreas Koch

Belegungsumfrage des buss

DruckDie aktuelle Belegungsumfrage des Bundesverbandes für stationäre Suchtkrankenhilfe (buss) wurde zum Stichtag 30. September 2015 durchgeführt. Mit 127 Rückmeldungen konnte ein Rücklauf von rund 84 Prozent erreicht werden. 54 Prozent der Rückmeldungen stammen aus Alkohol-Einrichtungen und 43 Prozent aus Drogen-Einrichtungen. Drei Prozent der Rückmeldungen konnten keiner Indikation zugeordnet werden.

Belegung 2015

Die kumulierte Belegung in Alkohol-Einrichtungen hat sich gegenüber der letzten Befragung im Juli 2014 verschlechtert: Der Anteil an Einrichtungen mit einer Belegung von über 90 Prozent ist leicht rückläufig (zwei Prozent geringer), die Anzahl an Alkohol-Einrichtungen mit einer Belegung zwischen 70 und 90 Prozent ist im Vergleichszeitraum um sechs Prozent gesunken, stattdessen gibt es deutlich mehr Einrichtungen mit einer Belegung von unter 70 Prozent. Von den Drogen-Einrichtungen hat rund ein Drittel eine unveränderte Auslastung von 70 bis 90 Prozent. Der Anteil an Drogen-Einrichtungen mit einer Belegung von über 90 Prozent ist um vier Prozent gesunken, der Anteil an Einrichtungen mit einer Auslastung von unter 70 Prozent ist im gleichen Maße angestiegen (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1: Belegung 2015 in Alkohol- und Drogeneinrichtungen und in der Gesamtstichprobe

Tabelle 1: Belegung 2015 in Alkohol- und Drogeneinrichtungen und in der Gesamtstichprobe

Insgesamt ergibt die Analyse der Gesamtstichprobe eine Verschlechterung der Belegung von 2014 auf 2015. Der Anteil an Einrichtungen, die eine Belegung von unter 70 Prozent aufweisen, hat gegenüber dem Vorjahr um sieben Prozent zugenommen. Hingegen ist bei Einrichtungen mit einer Belegung von über 90 Prozent und Einrichtungen mit einer Belegung zwischen 70 und 90 Prozent ein Rückgang von drei bzw. vier Prozent zu verzeichnen. Die absolute Zahl der Einrichtungen mit einer sehr schlechten Belegung (< 70 Prozent) schwankt im Jahresvergleich: 2015 = 14 / 2014 = 5 / 2013 = 9 / 2012 = 16.

Belegungsentwicklung im Jahresvergleich

Betrachtet man die Belegung im Jahresvergleich, so ist der Anteil der Kliniken mit einer ‚guten‘ Belegung von über 90 Prozent seit dem Jahr 2008 insgesamt um zwölf Prozent (von rund 70 Prozent auf 58 Prozent) zurückgegangen. Der Anteil der Kliniken mit über 95 Prozent Auslastung liegt nur bei 39 Prozent und ist in den letzten sechs Jahren ebenfalls um 13 Prozent gesunken. Diese Auslastung wird i.d.R. für die Kalkulation der Vergütungssätze zugrunde gelegt. In Abbildung 1 ist der Verlauf der Belegungsanteile über 90 Prozent bzw. über 95 Prozent dargestellt, und zu den einzelnen Jahren wird auch die Zahl der Rückläufer bei der verbandsinternen Belegungsumfrage angegeben.

Abbildung 1: Belegung > 90% und > 95 % im Jahresverlauf 2005 bis 2015

Abbildung 1: Belegung > 90% und > 95 % im Jahresverlauf 2005 bis 2015

Die Frage zur Belegungsentwicklung im Vergleich zum Vorjahr wurde von rund einem Drittel aller Einrichtungen als positiv beantwortet. Fast die Hälfte aller Einrichtungen berichtet von einer schlechteren Auslastung, und rund 20 Prozent der Einrichtungen berichten von gleichbleibender Auslastung gegenüber dem Vorjahr. Hier ist zu beachten, dass diese individuellen Aussagen zur Veränderung der Belegung von den o.g. Zahlen zur Auslastung im Jahresvergleich abweichen können, weil auch negative Veränderungen innerhalb einer Kategorie (bspw. > 90 Prozent) eine Verschlechterung der Belegung bedeuten. Im Hinblick auf die Ursachen für eine schlechtere Belegung waren Mehrfachnennungen möglich, Tabelle 2 zeigt die entsprechenden Anteile.

 Tabelle 2: Ursachen für eine schlechtere Belegung

Tabelle 2: Ursachen für eine schlechtere Belegung

Ähnlich wie im Vorjahr sehen über die Hälfte der Alkohol-Einrichtungen die Gründe für eine schlechtere Belegung darin, dass weniger Anträge gestellt wurden. Diese Beschreibung deckt sich mit Berichten vieler Träger der Deutschen Rentenversicherung über teilweise erhebliche Rückgänge bei den Anträgen für die Sucht-Rehabilitation. In Drogen-Einrichtungen stehen vor allem andere Ursachen im Vordergrund. Allerdings gilt es zu beachten, dass ein direkter Vergleich mit den Vorjahreswerten nicht unmittelbar möglich ist. Seit 2014 wurde in der Belegungsumfrage die Therapieverkürzung nicht mehr abgefragt, weil es keine entsprechenden Maßnahmen der Leistungsträger gab. Somit verschiebt sich das Verhältnis der Antworten. In Abbildung 2 sind die Anteile der kategorisierten Ursachen für eine schlechtere Belegung im Mehrjahresvergleich für die Gesamtstichprobe dargestellt.

Abbildung 2: Ursachen für eine schlechtere Belegung im Mehrjahresvergleich für die Gesamtstichprobe

Abbildung 2: Ursachen für eine schlechtere Belegung im Mehrjahresvergleich für die Gesamtstichprobe

Neben den zwei Hauptursachen (weniger Bewilligungen, weniger Anträge) konnten in der Umfrage weitere Ursachen angegeben werden. Der mit Abstand am häufigsten genannte Aspekt war die abnehmende Verbindlichkeit seitens der Patienten (Nichtantritt, Abbruch) mit 23 Nennungen, fast doppelt so viele wie im letzten Jahr.

Jahresergebnis 2014

Eine wichtige Erkenntnis ergibt sich auch aus der Frage nach dem finanziellen Ergebnis. Da die Angaben zur kumulierten Belegung und zur Veränderung der Belegung sehr individuell interpretiert werden können (für manche Einrichtungen sind 90 Prozent schon eine wirtschaftlich gute Belegung, für manche reichen erst 98 Prozent zur Kostendeckung), wurde nach dem realisierten Betriebsergebnis für das Jahr 2014 gefragt (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 3: Jahresergebnis 2014

Abbildung 3: Jahresergebnis 2014

Mehr als die Hälfte aller Einrichtungen kann also nach den Ergebnissen der Belegungsumfrage nicht kostendeckend arbeiten. Als Ursache der Unterfinanzierung geben rund 47 Prozent der Gesamtstichprobe eine schlechte Belegung an. 39 Prozent der Einrichtungen sehen die Ursache in den zu geringen Vergütungsätzen. Weitere 14 Prozent gaben andere Ursachen an. Wie im vorhergehenden Jahr werden hier insbesondere gestiegene Personal- und Investitionskosten zur Erfüllung der Strukturanforderungen angegeben (acht Nennungen). In Abbildung 4 ist die Finanzierungssituation der Einrichtungen im Zeitverlauf seit 2011 dargestellt.

Abbildung 4: Finanzierungssituation im Jahresvergleich

Abbildung 4: Finanzierungssituation im Jahresvergleich

Zusammenfassung

Die wirtschaftliche Situation der Mitgliedseinrichtungen im Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe hat sich seit 2014 weiter verschlechtert. Neben den finanziellen Belastungen durch die Umsetzung der strukturellen und personellen Anforderungen der Leistungsträger sowie den überwiegend nicht kostendeckenden Vergütungssätzen ist als weiteres Problem der in vielen Regionen Deutschlands zu verzeichnende Rückgang von Anträgen für die Suchtrehabilitation hinzugekommen. Viele Kliniken können nur noch am Markt bestehen, weil sie Quersubventionierungen des Trägers erhalten. Andere müssen dauerhaft eine Belegung über 100 Prozent realisieren, um eine Kostendeckung zu erreichen, oder Kürzungen bei den Personalausgaben im Rahmen der Tarifbindung (Streichung von Jahressonderzahlungen) vornehmen.

Einzelne Träger mussten inzwischen feststellen, dass unter den aktuellen Bedingungen die meisten Suchtreha-Einrichtungen nicht mehr wirtschaftlich geführt werden können. Weitergehende Analysen der Belegungszahlen zeigen, dass auch voll ausgelastete Einrichtungen kein positives Betriebsergebnis erzielen können. Insbesondere in Bayern und Nordrhein-Westfalen wurden daher schon erste Einrichtungen geschlossen, für weitere Kliniken sind ähnliche Entscheidungen zu befürchten. Dabei kann nicht von einer ‚Marktbereinigung‘ aufgrund mangelnder Nachfrage die Rede sein, denn zum einen waren diese Einrichtungen teilweise gut belegt und zum anderen sind stationäre Einrichtungen wichtige Pfeiler im Suchthilfesystem. Mit ihrer Schließung werden in den betroffenen Regionen auch andere Angebote wegbrechen. Die Aufmerksamkeit für Suchtprobleme und die Erreichbarkeit von Suchtkranken, die generell problematisch ist, werden dadurch weiter abnehmen. Die Leistungsträger der medizinischen Rehabilitation sind daher aufgefordert, ihre Strukturverantwortung wahrzunehmen und die vorhandenen finanziellen Spielräume dazu zu nutzen, den Einrichtungen einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu ermöglichen. Erfreulicherweise haben einige Träger der Deutschen Rentenversicherung den Ernst der Lage erkannt und einen entsprechenden Dialog mit den Einrichtungen bzw. den Verbänden begonnen.

Kontakt:

Iris Otto
Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e. V. (buss)
Wilhelmshöher Allee 273
34131 Kassel
Tel. 0561/77 93 51
iris.otto@suchthilfe.de
www.suchthilfe.de

Angaben zu den Autoren:

Iris Otto ist Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle des Bundesverbandes für stationäre Suchtkrankenhilfe e. V. in Kassel und zuständig für Projekte und Auswertungen.
Prof. Dr. Andreas Koch ist Geschäftsführer des Bundesverbandes für stationäre Suchtkrankenhilfe e. V. in Kassel und Mitherausgeber von KONTUREN online.