Marc Marthaler, Frank Zobel

Modelle der Cannabisregulierung

Frank Zobel

Marc Marthaler

In den letzten Jahren hat international ein so grundlegender Wandel in der Drogenpolitik – insbesondere in Bezug auf Cannabis – stattgefunden, dass ohne Weiteres von einem Paradigmenwechsel gesprochen werden kann. Mit dem Erlass von neuen Gesetzgebungen für Cannabis in US-amerikanischen Staaten und in Uruguay gerät die über Jahrzehnte international vorherrschende Cannabispolitik allmählich ins Wanken. Damit einher geht die Entwicklung von neuen Regulierungsmodellen, die zeigen, wie sich Gesellschaften zu Beginn des XXI. Jahrhunderts den Umgang mit dieser jahrzehntelang verbotenen Substanz vorstellen. Im Folgenden werden bestehende und geplante Modelle dargestellt. Dieser Artikel stützt sich in weiten Teilen auf den Bericht von Zobel & Marthaler (2014).

Was in der Öffentlichkeit über viele Jahre als kaum hinterfragte Tatsache akzeptiert wurde – nämlich dass Cannabis illegal ist – wurde maßgeblich durch das „Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel“ von 1961 festgelegt (engl. „Single Convention on Narcotic Drugs“, verabschiedet von den Vereinten Nationen/United Nations). Dieses Abkommen bildete seitdem die Basis der weltweiten Drogenpolitik und damit auch des Cannabisverbotes. Im Verlauf der letzten Jahre haben sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger von vier Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika sowie das Parlament des unabhängigen Staats Uruguay für die Legalisierung des Cannabiskonsums und die Regulierung des Cannabismarktes ausgesprochen. Schon zuvor sind in verschiedenen Regionen Spaniens und Belgiens Vereinigungen von Cannabiskonsumierenden entstanden, während das holländische Modell, welches den Verkauf und den Besitz kleiner Mengen von Hanfprodukten toleriert, Reformen unterzogen wurde.

Das aktuelle Spektrum der Regulierungsmodelle ist breit gefächert. Es umfasst verhältnismäßig offene, marktwirtschaftliche Märkte in den Bundesstaaten Colorado und Washington, einen streng durch den Staat verwalteten und geregelten Markt in Uruguay, die Tolerierung des Verkaufs von kleinen Mengen in den Niederlanden und die Gründung von nicht gewinnorientierten Vereinigungen von Cannabiskonsumierenden innerhalb rechtlicher Grauzonen in Spanien und Belgien. Wo liegen die Gemeinsamkeiten, wo die Unterschiede der verschiedenen existierenden oder geplanten Modelle?

Das marktwirtschaftliche Modell der US-Bundesstaaten Colorado und Washington

Der Cannabiskonsum ist in den Vereinigten Staaten seit jeher höher als in Europa. Hier liegt einer der Gründe, warum elf Bundesstaaten schon während der 1970er Jahre den Cannabiskonsum entkriminalisiert haben. In den 1990er Jahren entwickelte sich mit der medizinischen Verschreibung von Cannabis ein neues Phänomen, und bis 2015 hatten mehr als zwanzig Bundesstaaten eine Regelung für den therapeutischen Gebrauch von Cannabis.

Diese Entwicklung hat den Bestrebungen zur Legalisierung und Marktregulierung für Cannabisprodukte für den rekreativen Gebrauch in den Vereinigten Staaten neuen Elan verschafft, und im November 2012 stimmten die Bürger der Bundesstaaten Washington und Colorado für die ersten regulierten Cannabismärkte der Welt. Colorado führte am 1. Januar 2014 erstmalig weltweit einen solchen Markt ein, Washington folgte am 8. Juli desselben Jahres, und in den zwei Bundesstaaten Oregon und Alaska wurde noch im gleichen Jahr ein entsprechendes Gesetz angenommen.

Regulierungsmodalitäten

In Washington und Colorado ist der Cannabismarkt in die drei Teile Produktion, Verpackung/Vertrieb und Verkauf gegliedert. Die Beteiligung auf einer der drei Ebenen erfordert eine staatliche Lizenz und eine Bewilligung der Gemeinde. In Washington verhindern die gesetzlichen Bestimmungen, dass man gleichzeitig auf mehreren Ebenen des Cannabismarktes tätig sein kann, wogegen in Colorado zunächst die umgekehrte Logik galt: Hier durften die Produzenten nur einen kleinen Teil (30 Prozent) ihrer Produktion an Händler verkaufen; den größten Teil mussten sie in ihren eigenen Geschäften anbieten. Diese Art der Produktion und Vermarktung lehnte sich an die Bestimmungen des medizinischen Gebrauchs von Cannabis an. Tatsächlich wurden in den ersten Monaten in Colorado Lizenzen ausschließlich an Produzenten und Händler erteilt, die im therapeutischen Bereich aktiv waren. Der Vorteil lag zweifellos darin, dass die Partner bekannt und schon mit einem regulierten Cannabismarkt vertraut waren. Ende 2014 wurden diese Regeln hinfällig, und die Bevorzugung von Produzenten und Händlern aus dem Bereich der medizinischen Cannabisprodukte wurde aufgehoben.

Cannabis wird in undurchsichtigen Verpackungen verkauft, die von Kinderhänden nicht geöffnet werden können (child proof) und die zudem mit einer amtlichen Produktinformation versehen sein müssen, die unter anderem über den THC-Gehalt und die verwendeten Düngemittel Auskunft gibt (Ingold, 2013). Für den Erwerb von Cannabisprodukten – ebenso wie für Alkohol – gilt sowohl in Colorado wie auch in Washington ein Mindestalter von 21 Jahren. In spezifischen Verkaufsstellen darf pro Einkauf höchstens eine Unze (ca. 28,4 Gramm) erworben werden. In Colorado dürfen nicht ansässige Personen nur ein Viertel dieser Menge kaufen, während Einwohner zudem bis zu sechs Pflanzen zum Eigengebrauch halten können. In Washington gibt es keine Einschränkungen für auswärtige Cannabiskonsumierende. Die Haltung von bis zu 15 eigenen Pflanzen ist hingegen nur Einwohnern erlaubt, die im Besitz einer ärztlichen Verschreibung sind.

In beiden Bundesstaaten entscheiden staatliche Kontrollorgane über das Erteilen, den Widerruf oder die Verlängerung von Lizenzen. Zur Überwachung der gesamten Produktion und um zu verhindern, dass Cannabis in den Schwarzmarkt gelangt, wurde ein System zur Produktverfolgung „vom Samen bis zum Konsumenten“ eingerichtet (metrc – Marijuana Enforcement Tracking Reporting Compliance, 2014). Werbung für Cannabisprodukte sollte in beiden Bundesstaaten sehr restriktiv geregelt werden. Allerdings wird dieses Werbeverbot nun unter Berufung auf den ersten Verfassungszusatz (1st amendment) der Vereinigten Staaten angefochten. Es ist daher möglich, dass ein striktes Werbeverbot in Zukunft nicht durchgesetzt werden kann.

Steuern

Washington hat zunächst die höchsten Steuerabgaben auf Cannabis erhoben. Auf jeder der drei Wertschöpfungsebenen (Produktion, Verpackung/Vertrieb und Verkauf) wurden vom Staat 25 Prozent Steuern erhoben. Seit dem 1. Juli 2015 wird nur noch eine Verkaufssteuer von 37 Prozent erhoben (Department of Revenue Washington State, 2015). Dazu kommt eine allgemeine Umsatzsteuer von 8,75 Prozent, die für alle Güter gilt. In Colorado beträgt die Grundtaxierung auf Cannabis lediglich 15 Prozent, hinzu kommt die allgemeine Warenumsatzsteuer von 2,9 Prozent. Zusätzlich aber werden eine Cannabis-Verkaufssteuer von 10 Prozent (Bremner & Del Giudice, 2014) sowie örtliche Abgaben erhoben. Ob in Washington oder in Colorado, Cannabis ist in jedem Fall mit hohen Abgaben belegt, wobei die Preise tendenziell sinken (zwischen Herbst 2014 und Frühling 2015 geschätzt um etwa 16 Prozent in Colorado). In Washington sollen diese Steuereinnahmen zum größten Teil in einen Spezialfonds für soziale und medizinische Dienstleistungen fließen, und in Colorado sind Teile dieser Gelder für den Bau neuer Schulen vorgesehen.

Das staatlich kontrollierte Modell Uruguays

In Uruguay wird der Drogenkonsum nicht strafrechtlich verfolgt, sofern es sich beim Besitz von Betäubungsmitteln um eine ‚vernünftige Menge‘ handelt. Der Cannabiskonsum ist relativ hoch und hat in den 2000er Jahren bei den Jugendlichen stark zugenommen. Parallel dazu hat sich wie im Nachbarland Argentinien der Konsum der Kokain-Basispaste Paco verbreitet. In Uruguay ist die Trennung der Märkte für Cannabis und für Paco eines der Argumente für eine Legalisierung von Cannabisprodukten.

Die Regierung Uruguays stellte ihr Projekt zur Regulierung des Cannabismarktes im Juni 2012 vor. Der Gesetzesentwurf ging im August an das Parlament, wurde jedoch erst ein Jahr später vom Repräsentantenhaus angenommen. Am 10. Dezember 2013 stimmte auch der Senat zu. Damit erhielt Uruguay als erstes Land ein Gesetz zur Legalisierung von Cannabis.

Regulierungsmodalitäten

Das Modell Uruguays unterscheidet sich in vielen Punkten von den Modellen in den Bundesstaaten Colorado und Washington. Das südamerikanische Land regelt zum einen die Produktion von und den Handel mit Cannabis sowie den Besitz von Hanfpflanzen zum persönlichen Gebrauch. Zum anderen regelt es auch den Anbau von Pflanzen im Rahmen einer Vereinigung. Laut Gesetz darf jeder Bewohner Uruguays, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, entweder:

a) Cannabis in bestimmten Apotheken kaufen oder
b) die Pflanzen selbst anbauen oder
c) Mitglied eines „Cannabis Konsum Clubs“ werden.

Diese Möglichkeiten schließen sich gegenseitig aus. Die „Cannabis Konsum Clubs“ bestehen aus 15 bis 45 Personen und erhalten die Genehmigung zum gemeinsamen Anbau von Hanfpflanzen. In jedem Fall müssen sich Konsumenten beim „Institut für die Regulierung und die Kontrolle von Cannabis“ (IRCCA) registrieren lassen. Diese Pflicht gilt auch für die Cannabisproduzenten und für die Apotheken, die Cannabisprodukte verkaufen. Mit der Registrierung auf allen Wertschöpfungsebenen will die Regierung nicht nur den Markt kontrollieren und regulieren, sondern auch Personen erkennen, die durch einen problematischen Umgang mit dem Produkt auffallen.

Im uruguayischen Modell sind genaue Mengen vorgeschrieben, die verkauft oder angebaut werden dürfen. So dürfen registrierte Nutzer bis zu 40 Gramm pro Monat in zugelassenen Apotheken kaufen oder höchstens sechs Hanfpflanzen für den Eigenbedarf besitzen. Die Cannabis-Clubs können je nach Mitgliederzahl bis zu 99 Pflanzen im Jahr anbauen. All diese Modalitäten unterliegen jedoch der Bestimmung, dass der maximal erlaubte Konsum in Uruguay auf 480 Gramm pro Jahr beschränkt ist, was etwa 1,3 Gramm pro Tag entspricht (Kilmer et al., 2013).

Stand der Umsetzung

Nach der Präzisierung verschiedener Anwendungsbestimmungen wird das uruguayische Regelwerk seit Mai 2014 Schritt für Schritt umgesetzt. Ab August 2014 konnten sich Bewerber und Bewerberinnen für den Anbau zum Eigenbedarf registrieren. Inzwischen haben sich rund 2.200 Personen für den Eigenbau registrieren lassen, und 18 Vereinigungen mit insgesamt etwa 700 Mitgliedern befinden sich in unterschiedlichen Stadien des Registrierungsprozesses. Zudem ist das Auswahlverfahren für Produzenten, die Apotheken beliefern dürfen, im Gange (elf Kandidaten), und eine Präventionskampagne wurde lanciert.

Cannabis Social Clubs in Spanien und Belgien

Spanien

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichts gelten der Besitz von Cannabis zum persönlichen Gebrauch und der Konsum in Spanien nicht als Straftat. Ebenso betrachtet die spanische Rechtsprechung weder den gemeinsamen Konsum noch den gemeinschaftlichen Erwerb von Drogen durch abhängige Konsumierende als Straftat.

Vor dem Hintergrund dieser richterlichen Praxis hat sich in der ersten Hälfte der 1990er Jahre eine Bewegung entwickelt, die sich für den Selbstanbau von Hanfpflanzen im Rahmen von Gruppen Erwachsener einsetzt. Die Initianten argumentieren wie folgt: Der Anbau einer oder mehrerer Pflanzen für den Eigenbedarf stellt keine Straftat dar. Dasselbe gilt für den gemeinschaftlichen Erwerb von Cannabis sowie für den gemeinsamen Konsum. Also kann es auch keine Straftat sein, wenn ein privater Personenkreis Pflanzen anbaut, die Ernte unter sich aufteilt und das Cannabis gemeinsam konsumiert (Kilmer et al., 2013).

Die Vereine von Cannabiskonsumierenden werden oft als Cannabis Social Clubs (CSC) bezeichnet. Aufgrund fehlender staatlicher Regulierung haben sich die Akteure ihre Regeln selbst auferlegt. Der spanische Cannabis-Dachverband FAC (Federación de Asociaciones Cannábicas) hat die Rahmenbedingungen definiert (Kilmer et al., 2013), und die belgische Non-Profit-Organisation ENCOD – European Coalition for Just and Effective Drug Policies hat einen besonderen Verhaltenskodex für europäische Cannabis Social Clubs festgelegt (ENCOD, 2011).

CSC funktionieren als Non-Profit-Organisationen, die ausschließlich Erwachsenen zugänglich sind. Wer Mitglied eines CSC werden möchte, muss sich als Cannabiskonsument erklären oder ein ärztliches Rezept für den Bezug dieser Substanz vorlegen. In einigen Fällen bedarf es zudem der Empfehlung eines bisherigen Mitglieds, um aufgenommen zu werden. Das Mindestalter beträgt in der Regel 18 Jahre (Volljährigkeit). In gewissen Fällen wurde das Eintrittsalter auf 21 Jahre angehoben. Das Ziel der CSC besteht im Anbau von Cannabis für den Eigengebrauch der Clubmitglieder. Die Substanz wird oft vor Ort eingenommen, das heißt im privaten Clubraum, wo das Cannabis auch ausgegeben wird. Zwischen den Mitgliedern des CSC darf kein Handel entstehen, weshalb die Menge Cannabis pro Mitglied beschränkt ist. Die übliche Tagesmenge beträgt zwei bis drei Gramm (Barriuso Alonso, 2011). Laut  ENCOD soll die Produktionskapazität eines CSC auf der zu erwartenden Höhe des jährlichen Verbrauchs seiner Mitglieder basieren. Dazu kommt eine angemessene Menge als Reserve. Die Aufzucht der Pflanzen erfolgt durch Mitglieder des Vereins oder durch Dritte. Die CSC sollten umfassend und transparent Buch darüber führen, in welchem Stadium des Lebenszyklus sich der Anbau befindet und welche Anbaumethoden angewendet werden und natürlich über die für die Weitergabe geeigneten Erntemengen.

In Spanien haben sich die CSC in letzter Zeit sehr schnell entwickelt. Die Regierung schätzte ihre Anzahl im Jahr 2014 auf 700, während es vier Jahre zuvor gerade rund vierzig gab. Etwa 400 CSC sind in Katalonien eingetragen, davon die Hälfte allein in Barcelona. Dort hat sich ein regelrechter Cannabistourismus etabliert, denn die Clubs sind für alle zugänglich, die Cannabis konsumieren wollen, und die Betreiber der Clubs versuchen, Touristen übers Internet oder auf der Straße zu einem Besuch zu animieren. Die Behörden der Stadt haben auf diese Entwicklung reagiert und über 150 CSC kontrolliert. Etwa ein Drittel davon wurde geschlossen. Zudem hat die Stadt ein Moratorium erlassen, das die Eröffnung neuer CSC für die nächsten zwölf Monate verbietet.

Die explosionsartige Entwicklung der CSC, die auch die Grenzen der Autoregulierung der Clubs offenbart, bewog die Behörden dazu, strengere Regeln für eine Regulierung zu erarbeiten – eine Entwicklung, die auch von einem Teil der CSC gewünscht und unterstützt wird. Die katalanischen Behörden sind zurzeit dabei, ein Ensemble von Regeln zu entwickeln, das namentlich folgende Elemente enthalten würde: das Verbot, CSC in der Nähe von Schulen zu eröffnen, die Begrenzung der Mitgliederzahl und der Öffnungszeiten sowie das Verbot von Werbung und der Bezahlung mit Bargeld. Ein Mindestalter von 21 Jahren und die spanische Staatsangehörigkeit würden die zwei Aufnahmebedingungen bilden, und neue Mitglieder könnten Cannabis erst nach 15 Tagen beziehen. Zudem könnte die maximale Bezugsmenge auf 60 bis 100 Gramm pro Monat festgelegt werden (The Guardian, 2014).

Als die ersten CSC gegründet wurden, waren die Initianten der Überzeugung, dass es sich hierbei nur um ein Übergangmodell zu einem mit dem Tabak- oder Alkoholmarkt vergleichbaren Modell handelt, bei dem nicht nur die Produktion und der Konsum, sondern auch der Handel komplett legal wären. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass es sich bei den CSC um ein langfristig tragfähiges Modell handelt, bei dem die Entscheidungen nicht in den Händen von einigen wenigen Personen liegen, sondern die Versorgung ohne Gewinnabsichten durch eine Gruppe von Interessierten demokratisch geregelt werden kann (Barriuso Alonso, 2011).

Belgien

Ähnlich wie in Spanien präsentiert sich die Situation in Belgien. Grundsätzlich verbietet die belgische Gesetzgebung die Produktion und den Besitz von Cannabis. Allerdings schwächt eine Verordnung des Justizministeriums und der Vereinigung der Staatsanwälte von 2005 diese Norm ab: Der Besitz von Cannabis für den Eigenbedarf wurde in der Skala der Straftaten erheblich zurückgestuft, sofern keine erschwerenden Umstände vorliegen. In der Praxis bedeutet das: Eine erwachsene Person, die bis zu drei Gramm Cannabis oder eine Hanfpflanze besitzt, kann zu einer Geldbuße verurteilt werden. Es erfolgt jedoch kein Eintrag ins Strafregister, und das Cannabis muss von den Ordnungskräften nicht eingezogen werden (Kilmer et al., 2013).

Im Jahr 2006 wurde der Cannabis Social Club „Trekt Uw Plant“ (Ziehe deine eigene Pflanze!) gegründet. Die Organisation stützte sich darauf, dass der Besitz einer Pflanze für den Eigengebrauch toleriert wurde, und plädierte für den gemeinsamen Anbau entsprechend der Anzahl Clubmitglieder (Decorte, 2015). Nach der Wahl einer neuen, konservativen Regierung im Herbst 2014 soll die Null-Toleranz-Politik, die schon seit längerem in der Stadt Antwerpen gilt, auf das ganze Land ausgedehnt werden. Was das für die belgischen Cannabisclubs bedeutet, ist noch offen.

Das Coffeeshop-Modell der Niederlande

In den Niederlanden sind Verkauf und Besitz kleiner Cannabismengen grundsätzlich verboten, seit 1976 wird dies de facto jedoch toleriert. Ebenso wird der Besitz von Hanfpflanzen für den persönlichen Gebrauch (bis zu fünf Stück) nicht geahndet. Diese Politik verfolgt als Hauptziel, die Trennung des Marktes für ‚weiche‘ Drogen (Cannabis) von dem der anderen Drogen.

Jede Person, die das 18. Lebensjahr vollendet hat, kann unabhängig von ihrem Wohnsitz bis zu fünf Gramm Cannabis in eigens dafür zugelassenen Läden, den Coffeeshops, kaufen. Eine Studie des Trimbos Institute von 2013 zeigte einen durchschnittlichen THC-Gehalt von 13,5 Prozent. Dieser lag tiefer als in den vorangegangenen Jahren. Die meistverkaufte Cannabisqualität kostete 9,60 Euro pro Gramm (Netherlands Info Service, 2013). In Coffeeshops dürfen höchstens 500 Gramm Cannabis gelagert werden. Dadurch sind gewisse Händler gezwungen, mehrmals täglich Nachschub zu beschaffen. Das niederländische Modell birgt ein grundsätzliches Paradox, das so genannte Back-Door-Problem: Da der Anbau von Cannabis weiterhin als Straftat gilt, müssen die Produkte, die in Coffeeshops verkauft werden, weiterhin auf dem Schwarzmarkt erworben werden.

Die Regulierung der Coffeeshops ist in den letzten Jahren mehrmals diskutiert worden, und inzwischen verlangen manche Gemeinden die Beseitigung des Back-Door-Problems: Die Produktion von Cannabis, welches in den Coffeeshops verkauft wird, sollte keine Straftat mehr darstellen. Als Lösung wurden von den Städten verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen wie z. B. die Vergabe von Lizenzen, die Förderung von Konsumenten-Clubs oder auch ein städtisches Monopol für die Cannabisproduktion (Rolles, 2014).

Regulierungsprojekte in der Schweiz

Zu Beginn der 2000er Jahre sah es danach aus, als ob die Schweiz als erstes Land der Welt ein Gesetz zur Regulierung des Cannabismarktes einführen würde. Die Argumente für die Regulierung waren der Jugendschutz und der Kampf gegen den Schwarzmarkt. Der vom Bundesrat vorgestellte Entwurf für ein revidiertes Betäubungsmittelgesetz sah die Legalisierung des Cannabiskonsums vor (Der Schweizerische Bundesrat, 2001). Für Produktion und Verkauf von Cannabisprodukten sollten Ausnahmen von der Strafverfolgung gelten. Das Projekt sah Straffreiheit vor, wenn Cannabis in geringen Mengen an Personen über 18 Jahren verkauft wird, sofern dadurch die öffentliche Ordnung nicht gefährdet, keine Werbung betrieben und keine Ein- und Ausfuhr ermöglicht wird.

Der Gesetzesentwurf enthielt auch Vorschriften über Anbauflächen, Lizenzen und Verkaufsstellen und den Höchstgehalt an THC sowie die Regulierung von Produktion und Verkauf. Die Kantone blieben frei, strengere Vorschriften auf ihrem Hoheitsgebiet zu erlassen. Es oblag den Produzenten, den Beweis zu erbringen, dass die Ernte ausschließlich an Kundschaft in der Schweiz ausgeliefert würde. Der Anbau von Hanfpflanzen sollte unter Angabe der Sorte, der Anbaufläche, des Anbauortes, der Abnehmer etc. meldepflichtig werden.

Nach einem dreijährigen Vernehmlassungsprozess (Phase im schweizerischen Gesetzgebungsverfahren, in der Kantone, politische Parteien und andere Interessierte Stellung zum geplanten Gesetz nehmen können) und verschiedenen Debatten wurde im Juni 2004 auf die Revision des Betäubungsmittelgesetzes verzichtet. In der Zwischenzeit hatten einige Kantone begonnen, einen Cannabismarkt zu tolerieren. Landesweit sollen mehr als 200 Hanfläden entstanden sein. Diese Entwicklung ging mit der Aufgabe der Gesetzesrevision zu Ende. Danach folgten 2004 und 2008 zwei gescheiterte politische Vorstöße, die das Ziel hatten, das Cannabisverbot zu lockern. Mit der 2008 vom Volk angenommenen Teilrevision des Betäubungsmittelgesetzes und dem Parlamentsbeschluss von 2012 zum Ordnungsbußenverfahren für Cannabis wird in der Schweiz der Konsum einer geringfügigen Menge von Cannabis (max. 10 Gramm) durch erwachsene Personen mit einer Ordnungsbuße von 100 Fr. bestraft. Cannabis bleibt somit verboten, aber eine Strafverfolgung wird außer in Ausnahmefällen nicht aufgenommen.

Aber auch nach der gescheiterten Initiative zur Legalisierung von Hanfprodukten und der de facto Entkriminalisierung des Konsums bleibt die Debatte rund um Cannabis hochaktuell. Seit einigen Jahren wurden in größeren Schweizer Städten (Zürich, Luzern, Bern, Biel, St. Gallen, Lausanne, Winterthur) und in einem Kanton (Basel-Stadt) Postulate oder parlamentarische Initiativen mit dem Ziel eingereicht, die Debatte über einen alternativen Umgang mit der Produktion und dem Handel von Cannabis neu zu lancieren. Derzeit ist die öffentliche Diskussion in Genf am weitesten fortgeschritten. Hier möchte eine Gruppe Abgeordneter im Rahmen eines Pilotprojekts Vereinigungen von Cannabiskonsumierenden nach dem spanischen Modell der Cannabis Social Clubs zulassen.

Schlüsselelemente der Regulierung

Die bestehenden oder geplanten Regulierungsmodelle lassen sich drei Kategorien zuordnen: dem kommerziellen Markt, der als einziger – wenn auch stark reguliert – marktwirtschaftlich funktioniert, dem Staatsmonopol und den Vereinigungen. Die beiden letzteren wollen verhindern, dass sich ein privater und profitorientierter Handel mit Cannabisprodukten entwickeln kann. Alle Modelle greifen trotz ihrer Unterschiede auf ein gemeinsames Ensemble von Maßnahmen zurück, die je nach Modell unterschiedlich gehandhabt und gewichtet werden:

  • Regulierung der Produktion
  • Verkaufsbewilligungen
  • Mengenbegrenzungen für den Verkauf
  • Konsumeinschränkungen
  • Qualitätskontrollen
  • Altersbeschränkungen
  • Besteuerung
  • Werbung
  • Marktüberwachung

Weitere Maßnahmen können die Erkennung von problematisch Konsumierenden oder die Einschränkung des Verkaufs an nicht Ortsansässige betreffen. Allen Modellen gemeinsam ist die Bestrebung, den illegalen Markt zu schwächen und den Cannabismarkt von anderen Drogenmärkten abzugrenzen. Und generell ist Cannabis bedeutend strenger reguliert als Alkohol. In Zukunft wird sich zeigen, welches Modell bzw. welche Modelle langfristig politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich tragfähig sein werden und ob es noch Raum für andere Formen der Regulierung gibt.

Kontakt:

Marc Marthaler
Sucht Schweiz
Av. Louis-Ruchonnet 14
Postfach 870
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mmarthaler@suchtschweiz.ch
www.suchtschweiz.ch

Angaben zu den Autoren:

Marc Marthaler ist Projektleiter bei Sucht Schweiz.
Frank Zobel ist Vizedirektor ad interim bei Sucht Schweiz.

Literatur: