Wodka, Benzos & Co: Gefährliche Mischung für Jugendliche

In der Schweiz sind seit 2018 mindestens 33 Jugendliche an so genanntem Mischkonsum gestorben. Mischkonsum heißt, die Jugendlichen nehmen zwei oder mehr psychoaktive Substanzen gleichzeitig ein. Der damit verbundenen Gefahren sind sie sich oft nicht bewusst, und Angebote, um die Risiken zu mindern, nutzen sie kaum, wie erste Resultate einer Studie des Schweizer Instituts für Sucht- und Gesundheitsforschung (ISGF) und der Universität Zürich (UZH) belegen.

Mischkonsum insbesondere von Alkohol und Cannabis ist bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen kein Randphänomen. Auch wenn bereits diese Kombination Risiken birgt, z. B. eine höhere Unfallgefahr, sind andere Formen des Mischkonsums gefährlicher. So waren die seit 2018 verzeichneten Todesfälle von Jugendlichen mutmaßlich auf den Konsum von mehreren Medikamenten bzw. von Medikamenten in Kombination mit Alkohol zurückzuführen. Bei den Medikamenten waren insbesondere Benzodiazepine (vor allem Xanax®), codeinhaltige Hustenmittel sowie weitere opioidhaltige Medikamente zentral.

Online-Befragung von Jugendlichen

In der Schweiz fehlt es bislang an fundierten Daten zum Mischkonsum von jungen Menschen. Das Schweizer Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung (ISGF), ein assoziiertes Institut der Universität Zürich, will diese Lücke mit einer noch laufenden Studie schließen. Unter der Leitung von Corina Salis Gross wird untersucht, welche Substanzen junge Menschen kombinieren, was die Motive und die Kontexte ihres Mischkonsums sind und welche Risikominderungsstrategien sie einsetzen. Zur Klärung dieser Fragen werden 14- bis 20-Jährige mit regelmäßigem Mischkonsum online befragt. Ergänzend dazu führen die Forschenden Fokusgruppen mit Teenagern sowie Workshops mit Fachpersonen durch.

Oft mangelhaft oder gar nicht informiert

Nach Aussage der Fachpersonen sind sich die Jugendlichen der Risiken des Mischkonsums oftmals nicht bewusst. Dies deckt sich mit deren eigenen Aussagen, dass ihr Mischkonsum häufig spontan erfolge und dadurch die Zeit fehle, sich vor dem Konsum ausgiebig zu informieren. Ebenso scheinen sich einige Teenager als gut informiert wahrzunehmen, obwohl die von ihnen genannten Informationsquellen wie YouTube nicht immer bzw. nicht nur sachliche Informationen vermitteln.

Kombination von mehr als zwei Substanzen ist verbreitet

Fachorganisationen raten Konsumierenden, generell auf den Mischkonsum zu verzichten, da die Wechselwirkungen zwischen den eingenommenen Substanzen schwer abschätzbar und daher hoch riskant sind. Mit zunehmender Anzahl an eingenommenen Substanzen steigt das Risiko für solche Wechselwirkungen. Zwischenauswertungen der Online-Befragung zeigen aber, dass die Kombination von mehr als zwei Substanzen keine Seltenheit ist. So gab gut die Hälfte der Teilnehmenden an, bei ihrem häufigsten Mischkonsum mehr als zwei Substanzen gleichzeitig zu kombinieren. Auch Beruhigungs- und Schlafmittel bzw. starke Schmerz- und Hustenmittel werden oft zusammen mit mehr als zwei Substanzen konsumiert.

Substanzen aus dem Schwarzmarkt werden kaum getestet

Um das Risiko zu vermindern, empfehlen Fachorganisationen, Substanzen vom Schwarzmarkt zu testen. Doch für die jungen Menschen sind solche Drug Checkings mit verschiedenen Hindernissen verbunden. Dazu gehört, dass viele dieser Angebote erst ab 18 Jahren genutzt werden können, nur in einigen Städten vorliegen und beschränkte Öffnungszeiten haben (z. B. wöchentlich am Abend). Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten empfinden die Jugendlichen und jungen Erwachsenen zudem eine Testung in der Regel als unnötig, wenn diese in so genannte Blister verpackt sind. Die Medikamente werden als sicher und sauber wahrgenommen, obwohl auch solche scheinbar regulär verpackten Medikamente verunreinigt sein können, wenn sie auf dem Schwarzmarkt erworben wurden.

Angst vor repressiven Konsequenzen kann zur Unterlassung von Hilfe führen

Zwar gaben drei Viertel der bisherigen Studienteilnehmenden an, zu wissen, was bei einem Notfall nach einem Mischkonsum zu tun ist (z. B. 144 anrufen). Ebenso gingen rund drei Fünftel der Befragten davon aus, dass sie einen Notfall, etwa eine Überdosierung, erkennen würden. Allerdings erwähnten einige Fachpersonen, dass Jugendliche aufgrund ihrer Angst vor Blaulichtorganisationen teilweise auch in kritischen Situationen darauf verzichten, Hilfe zu holen. Dazu gehört etwa die Angst vor repressiven Konsequenzen und die Befürchtung, Kosten übernehmen zu müssen (z. B. für den Sanitätstransport). Dass oftmals alle Personen einer Peergroup intoxikiert sind, kann das korrekte und zeitnahe Reagieren in einem Notfall ebenfalls erschweren.

Mischkonsum zur Gefühlsregulation

Die bisherigen Teilnehmenden der Online-Umfrage kombinieren Substanzen meist deshalb, weil es Spaß macht und es sich gut anfühlt. Einige Jugendliche mischen Substanzen auch, weil es ihnen hilft, lockerer und weniger schüchtern zu sein, und weil es Ängste oder andere negative Gefühle lindert. Gerade dieser Mischkonsum zur Gefühlsregulation wird von einigen Fachpersonen als problematisch eingestuft. Entsprechend haben Jugendliche und junge Erwachsene, die den Mischkonsum zur Selbstmedikation einsetzen, Mühe, ihren Konsum zu reduzieren. Gerade für diese Jugendlichen ist es wichtig, dass sie Zugang zu professioneller Hilfe erhalten.

Die geschilderten vorläufigen Studienergebnisse geben wichtige Hinweise darauf, welche Aspekte bei Interventionen im Bereich Prävention, Schadensminderung sowie Beratung und Therapie prioritär berücksichtigt werden müssen. Bevor solche Interventionen konzipiert werden, sind jedoch noch mehr Daten zum Mischkonsum nötig. Insgesamt sollen bis Ende des Jahres mindestens 100 weitere Personen im Alter von 14 bis 20 Jahren mit regelmäßigem Mischkonsum den anonymen Online-Fragebogen ausfüllen.

Weitere Informationen:
https://survey.suchtforschung.ch/index.php/579776?lang=de-informal
https://www.news.uzh.ch/de/articles/media/2022/Mischkonsum.html

Pressestelle der Universität Zürich, 27.10.2022