Wie häufig nehmen „die anderen“ Drogen?

Eine Studie an acht Universitäten in Deutschland zeigt, dass die meisten Studierenden den Drogenkonsum ihrer Mitstudierenden überschätzen. Das hat Auswirkungen auf den eigenen Konsum.

Egal ob in sozialen Netzwerken oder offline: Menschen haben eine bestimmte Wahrnehmung davon, wie sich die Personen in ihrem Umfeld verhalten. Diese Wahrnehmung ist subjektiv und entspricht nicht unbedingt der Realität. Dennoch versuchen Menschen – bewusst oder unbewusst – ihr eigenes Verhalten an das der anderen anzupassen. In der Forschung wird auch von der wahrgenommenen sozialen Norm gesprochen. Ein Forschungsteam aus Deutschland hat nun untersucht, ob dieses Phänomen auch für den Konsum von Drogen gilt.

Studie an acht Universitäten in Deutschland

Claudia Pischke (Heinrich Heine Universität Düsseldorf) und ihr Team haben eine randomisierte kontrollierte Studie an acht Universitäten aus vier Regionen in Deutschland durchgeführt. Für jede der vier Regionen nahmen zwei Universitäten an der Studie teil. Das Forschungsteam wählte für jede Region zufällig aus, welche der beiden Universitäten zur Interventions- und welche zur Kontrollgruppe gehören sollte.

Unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit wurden die Studierenden aller acht Universitäten zu ihrem Konsum von legalen und illegalen Drogen befragt und gebeten, den Konsum ihrer Mitstudierenden einzuschätzen. Die Befragung fand zu zwei Zeitpunkten statt. An der ersten Befragung nahmen rund 4.500 Studierende teil. 28 Prozent von ihnen beteiligten sich auch an der zweiten Befragung, die etwa fünf Monate später stattfand.

Über 60 Prozent überschätzen den Drogenkonsum ihrer Mitstudierenden

Pischke und ihr Team betrachteten nur die Ergebnisse für Alkohol, Cannabis und Tabak näher. Für die anderen abgefragten Substanzen wie beispielsweise Ecstasy waren die Fallzahlen zu niedrig. Bei der ersten Befragung gaben rund 17 Prozent der Studierenden an, in den zwei Monaten vor der Befragung drei Mal oder öfter pro Woche Alkohol getrunken zu haben. Über 70 Prozent der Befragten ging aber davon aus, dass der Alkoholkonsum ihrer Mitstudierenden höher war.

Ein ähnliches Bild zeigte sich beim Konsum von Cannabis. Zwar gaben nur etwa vier Prozent der Befragten an, mindestens einmal pro Woche Cannabis konsumiert zu haben. Aber auch hier lag die Mehrheit der Studierenden mit ihrer Einschätzung daneben: Mehr als 60 Prozent der Befragten schätzten den Cannabiskonsum der anderen höher ein.

Beim Tabakkonsum war es nicht anders. Rund zwölf Prozent der Studierenden gaben an, drei Mal oder häufiger pro Woche Tabak geraucht zu haben. Über 60 Prozent der Studierenden war überzeugt, die anderen rauchen mehr.

Information zum Konsum der anderen scheint eigenen Konsum zu senken

Das Forschungsteam wollte herauszufinden, ob sich das Konsumverhalten der Studierenden verändert, wenn sie wissen, wie häufig ihre Mitstudierenden tatsächlich Drogen konsumieren. Dazu wurden die Studierenden der Interventionsgruppe acht Wochen nach der ersten Befragung über den tatsächlichen Drogenkonsum ihre Mitstudierenden informiert. Die Kontrollgruppe erhielt keine Rückmeldung.

Für den Alkoholkonsum zeigte sich, dass Studierende, die realistische Information über den Alkoholkonsum ihrer Mitstudierenden erhalten hatten, zum zweiten Befragungszeitpunkt signifikant weniger Alkohol konsumierten als diejenigen, die keine Rückmeldung bekommen hatten. Möglicherweise haben die Befragten ihren Alkoholkonsum reduziert, um das eigene Verhalten dem ihrer Mitstudierenden anzupassen. Beim Konsum von Cannabis zeigte sich ein ähnlicher Effekt. Nur für den Tabakkonsum konnte kein Effekt der Intervention festgestellt werden.

Bestätigung früherer Studien

Das Forschungsteam weist daraufhin, dass die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren sind. Insgesamt habe sich nur ein sehr kleiner Teil der Studierenden an der Befragung beteiligt. Daher können die Ergebnisse nicht ohne Weiteres auf andere Studierende übertragen werden.

Dennoch zeigt die Studie, was bereits in früheren Forschungsarbeiten deutlich wurde: Die Verbreitung des Konsums von legalen und illegalen Drogen wird meist überschätzt. Das könnte zur Folge haben, dass Menschen häufiger Drogen konsumieren, weil sie hohen Konsum fälschlicherweise für die geltende soziale Norm halten. Das Wissen über den tatsächlichen Konsum der anderen könnte laut Pischke und ihrem Team den sozialen Druck reduzieren und dazu führen, dass weniger Drogen konsumiert werden.

Wer herausfinden möchte, ob die eigene Wahrnehmung zur Verbreitung des Drogenkonsums in Deutschland der Realität entspricht, kann das mit einem Online-Tool zur Verbreitung des Drogenkonsums testen.

Originalpublikation:
Pischke, C. R., Helmer, S. M., Pohlabeln, H., Muellmann, S., Schneider, S., Reintjes, R., Schmidt-Pokrzywniak, A., Girbig, M., Krämer, A., Icks, A., Walter, U. & Zeeb, H. (2021). Effects of a Brief Web-Based “Social Norms”-Intervention on Alcohol, Tobacco and Cannabis Use Among German University Students: Results of a Cluster-Controlled Trial Conducted at Eight Universities. Frontiers in Public Health, https://doi.org/10.3389/fpubh.2021.659875

Quelle: www.drugcom.de, 28.7.2021