Wie funktioniert unser Willen?

Welche kognitiven Prozesse und neuronalen Systeme liegen der Kontrolle willentlicher Handlungen zugrunde? Warum gelingt es Menschen bei der Verfolgung wichtiger Ziele häufig nicht, kurzfristigen Versuchungen zu widerstehen oder eingeschliffene Gewohnheiten zu überwinden? Wie werden kognitive Kontrollprozesse durch Emotionen und sozialen Stress beeinflusst? Diesen Fragen geht seit Juli 2012 ein interdisziplinäres Forscherteam im DFG-Sonderforschungsbereich 940 „Volition and Cognitive Control: Mechanisms, Modulators, Dysfunctions“ nach.

Unter der Leitung von Thomas Goschke, Professor für Allgemeine Psychologie an der TU Dresden, erforschen Psychologen und Neurowissenschaftler die kognitiven und neuronalen Mechanismen, die der willentlichen Kontrolle von Handlungen und Gefühlen zugrunde liegen. Jetzt liegen die ersten Ergebnisse vor. Beim internationalen Symposium des Sonderforschungsbereichs vom 17. bis 19. Juli 2015 unter dem Titel „Have we banished the Homunculus? Dynamic Regulation, Modulation, and Optimization of Cognitive Control“ präsentierten international führende Wissenschaftler ihre neuesten empirischen Befunde und theoretischen Perspektiven zum Thema kognitive Kontrolle und willentliche Handlungssteuerung.

Mitarbeiter des Sonderforschungsbereichs stellten beim Symposium die Ergebnisse ihrer bisherigen Forschungsarbeit vor. So gelang es beispielsweise mit Hilfe funktioneller Bildgebungsmethoden, Regionen im Frontalhirn zu identifizieren, in denen Absichten vor ihrer Ausführung gespeichert und wenn nötig gegen den Einfluss störender Umweltreize oder unerwünschter Handlungsimpulse abgeschirmt werden. Einem anderen Projekt gelang es, neuronale Schaltkreise zu entschlüsseln, die der Steuerung flexibler zielgerichteter Handlungen im Unterschied zu automatisierten Gewohnheiten zugrunde liegen. In einem weiteren Projekt wird untersucht, warum es im Alltag häufig zu Beeinträchtigungen der Selbstkontrolle kommt, obwohl uns die negativen Konsequenzen unseres Verhaltens bewusst sind – also warum wir, obwohl wir eigentlich auf Diät sind, der Sahnetorte trotzdem nicht widerstehen können.

Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass Personen, die in Regionen des Frontalhirns, die an der Unterdrückung automatisierter Gewohnheiten und der Überwachung von Handlungsfehlern beteiligt sind, eine geringere Aktivierung zeigen, im Alltag deutlich häufiger kurzfristigen Versuchungen nachgeben. Damit haben die Wissenschaftler einen ersten Beleg dafür gefunden, dass grundlegende neurokognitive Mechanismen tatsächlich alltägliche Beeinträchtigungen der Selbstkontrolle vorhersagen können. In der geplanten zweiten Förderperiode des Sonderforschungsbereichs ab 2016 wollen die Wissenschaftler unter anderem untersuchen, ob sich anhand dieser gestörten Prozesse langfristig das Risiko von Suchterkrankungen prognostizieren lässt und warum es unter chronischem Stress zu Beeinträchtigungen der Selbstkontrolle kommt.

Weitere Informationen zum Sonderforschungsbereich 940 „Volition and Cognitive Control“: http://www.sfb940.de/

Details zum Symposium und Programm unter: http://www.registrationpage.de/2015DresdenSymposiumInvitationextra

Pressestelle der Technischen Universität Dresden, 15.07.2015