Welt-Aids-Tag am 1. Dezember: HIV in Deutschland

Im Epidemiologischen Bulletin 47/2021 hat das Robert Koch-Institut seine Schätzung der Zahl der HIV-Neuinfektionen im Jahr 2020 und der Gesamtzahl von Menschen, die Ende 2020 mit HIV in Deutschland leben, veröffentlicht.

Zusammenfassung

HIV-Diagnosen werden oft erst Jahre nach der Infektion gestellt. Die Routine-Surveillance auf Grundlage der Labormeldungen liefert deshalb nur begrenzte Informationen zur aktuellen Ausbreitung von HIV in Deutschland. Die Zahl der HIV-Neuinfektionen und die Gesamtzahl der Menschen, die mit HIV in Deutschland le­ben, können nur mit Hilfe von Modellrechnun­gen abgeschätzt werden.

Die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutsch­land sowie bei Menschen deutscher Herkunft, die sich im Ausland mit HIV infiziert haben, wird für das Jahr 2020 auf 2.000 geschätzt und nimmt damit gegenüber 2019 (nach aktueller Schätzung 2.300 Neuinfektionen) ab.

Die Anzahl der geschätzten HIV-Neuinfektio­nen bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM) lag im Jahr 2020 bei etwa 1.100, ein Rückgang von 300 Neuinfektionen gegenüber dem Vorjahr. Im Jahr 2020 haben sich etwa 370 Menschen beim Gebrauch intravenöser Drogen mit HIV infiziert, diese Zahl steigt seit dem Jahr 2010 auf niedrigem Niveau an. Etwa 530 Menschen haben sich in Deutschland auf he­terosexuellem Weg mit HIV infiziert. Auch in dieser Gruppe sehen wir auf niedrigem Niveau seit 2013 einen Anstieg.

Im Jahr 2020 wurden etwa 35 % der HIV-Infek­tionen (2020: N = 900; 2019: N = 1.100; 2018: N = 990) erst mit einem fortgeschrittenen Immun­defekt und etwa 18 % erst mit dem Vollbild AIDS (2020: N = 460; 2019: N = 510 2018: N = 460) diagnostiziert. Aufgrund des Rückgangs von Neuinfektionen steigt der Anteil der Diagnosen fortgeschrittener Infektionen seit dem Jahr 2014.

Bis Ende 2020 stieg die Zahl der Menschen mit einer HIV-Infektion in Deutschland auf 91.400. Von diesen sind etwa 9.500 HIV-Infektionen noch nicht diagnostiziert. Während diese Zahl bei MSM zurückging, stieg sie in den anderen Gruppen an. Insgesamt sinkt die geschätzte Zahl der noch nicht diagnostizierten Infektionen seit dem Jahr 2010. Der Anteil der diagnostizierten HIV-Infektionen stieg an und liegt nun bei etwa 90 %, womit das vom gemeinsamen Programm der Vereinten Nationen für HIV/AIDS (UNAIDS) bis 2020 gesetzte Ziel knapp erreicht wäre.

Seit 2015 empfehlen die HIV-Behandlungsleit­linien, jede diagnostizierte HIV-Infektion in Deutschland umgehend antiretroviral zu thera­pieren. Der Anteil der Menschen mit diagnos­tizierter HIV-Infektion, die eine antiretrovirale Therapie erhalten, ist von etwa 81 % im Jahr 2006 auf etwa 97 % im Jahr 2020 angestiegen. Etwa 96 % dieser Therapien verliefen erfolg­reich, d. h., es wurde eine Viruslast von weniger als 200 Viruskopien/ml Blut erreicht.

Die aktuellen Daten legen die Schlussfolgerung nahe, dass der Ausbau von zielgruppenspezifi­schen Testangeboten und ein früherer Behand­lungsbeginn auch in Deutschland Erfolge ge­zeigt haben. Es bedarf aber weiterer Maßnah­men insbesondere zur weiteren Verbesserung der Testangebote und um den Zugang zur Therapie für alle in Deutschland mit HIV lebenden Menschen zu gewährleisten.

Der beobachtete Rückgang von HIV-Neudiag­nosen und der geschätzte Rückgang von Neuin­fektionen könnten auf einer Verminderung von Übertragungsrisiken durch Einschränkung se­xueller Kontakte, verminderten Routinetestun­gen und damit Wegfall von Diagnosen, und si­cherlich zum Teil auch auf Verhinderung von Neuinfektionen durch HIV-Prä-Expositions-Prophylaxe-(PrEP-)Gebrauch beruhen. Eine ge­nauere Quantifizierung dieser drei Einflussfak­toren ist derzeit noch nicht möglich.

Der Einfluss der zunehmend vor allem von MSM verwendeten PrEP auf das Infektionsge­schehen kann auf Grund der Pandemie-assozi­ierten Veränderungen des Sexual- und Testver­haltens im Jahr 2020 nicht verlässlich einge­schätzt werden.

Quelle: Epidemiologischen Bulletin, hrsg. v. Robert Koch-Institut, Berlin, 47/2021, S. 3