Frühe traumatische Erlebnisse

Verhaltensweisen, die durch frühe traumatische Erlebnisse verursacht werden, sind reversibel. Bild: Lukas von Ziegler, UZH

Verhaltensweisen, die durch frühe traumatische Erlebnisse verursacht werden, sind reversibel. Bild: Lukas von Ziegler, UZH

Verhaltensweisen, die durch frühe traumatische Erlebnisse verursacht werden, sind reversibel. Forschende der Universität Zürich und ETH Zürich konnten zeigen, dass bei Mäusen eine anregende Umgebung traumabedingte Symptome rückgängig machen kann. Damit gelang erstmals der Nachweis, dass positive Umweltfaktoren Verhaltensänderungen korrigieren können, die sonst an die Nachkommen vererbt würden. Verantwortlich dafür ist die epigenetische Steuerung des Glucocorticoid-Rezeptors.

Traumatische Erlebnisse in der Kindheit erhöhen das Risiko, später im Leben Verhaltensauffälligkeiten oder psychische Krankheiten zu entwickeln. Ebenso bekannt ist, dass negative Folgen eines Traumas auch bei den Kindern von Betroffenen auftreten können, auch wenn diese selbst keinen solchen Stress erfahren haben. Frühkindlicher Stress kann aber auch dazu führen, dass Betroffene später mit schwierigen Situationen besser umgehen können. Auch diese Fähigkeit wird auf die Nachfolgegenerationen vererbt. Dies hat Isabelle Mansuy, Professorin für Neuroepigenetik der Universität und der ETH Zürich, an Untersuchungen mit Mäusen unlängst herausgefunden.

Mansuys Forscherteam zeigt erstmals, dass stressbedingte Verhaltensänderungen bei Mäusen reversibel sind. Leben männliche Mäuse, die während ihrer frühen Kindheit Stress ausgesetzt waren, im Erwachsenenalter unter angenehmen Bedingungen, normalisiert sich sowohl ihr Verhalten wie auch das ihrer Nachkommen. „Lange nach den eigentlichen traumatischen Erlebnissen führt die Haltung in einer abwechslungsreichen Umgebung dazu, dass die Verhaltenssymptome bei erwachsenen Tieren rückgängig gemacht und nicht mehr an den Nachwuchs vererbt werden“, fasst Isabelle Mansuy die neuen Erkenntnisse zusammen.

Indem sie die Jungtiere in unregelmäßigen Abständen von ihren Müttern trennten, setzten die Erstautorin Katharina Gapp und ihre Kollegen neugeborene Mäusemännchen traumatischem Stress aus. In der Folge verhielten sich die Männchen sowie ihre männlichen Nachkommen in Stresssituationen deutlich anders als die Kontrolltiere, beispielsweise hinsichtlich ihrer natürlichen Scheu vor hellem Licht oder bei komplexen, sich dauernd ändernden Aufgaben, etwa um bei Durst eine Ration Wasser zu erhalten.

Auf molekularer Ebene äußern sich diese Verhaltensänderungen in einem erhöhten Level des Glucocorticoid-Rezeptors im Hippocampus – einer für kognitive Prozesse essenziellen Hirnregion, die mitverantwortlich ist, um Stressreaktionen stillzulegen. Grund dafür ist eine veränderte epigenetische Regulierung des Gens für den Rezeptor, der Stresshormone wie Cortison bindet. Die Aktivität dieses Gens wird normalerweise durch kleine chemische Verbindungen (Methylgruppen), die an bestimmten Stellen der DNA-Sequenz angeheftet sind, herabgesetzt. Traumatische Erlebnisse führen dazu, dass mehrere der „dämpfenden“ Methylgruppen von den genetischen Steuersequenzen entfernt werden. Dadurch erhöht sich die Genaktivität und der Glucocorticoid-Rezeptor wird vermehrt produziert.

Diese modifizierte epigenetische Steuerung zeigt sich nicht nur in den Zellen des Hippocampus traumatisierter Jungtiere, sondern auch in den Keimzellen ihrer Väter. Die Wissenschaftler gehen daher davon aus, dass veränderte DNA-Methylgruppenmuster via Spermien an die Jungen weitergegeben werden. Isabelle Mansuy und ihr Team konnten nun nachweisen, dass die Auswirkungen frühkindlicher Traumata durch eine stressarme, abwechslungsreiche Umwelt im Erwachsenenalter korrigiert werden können. Zugleich verhindert das korrigierte Methylierungsmuster, dass die Symptome an den Nachwuchs vererbt werden.

„Bisher war einzig bei pharmakologischen Medikamenten bekannt, dass sie epigenetische Veränderungen, die das Verhalten beeinflussen, korrigieren können. Nun wissen wir, dass dies auch durch Umweltanpassungen wie abwechslungsreiche Lebensbedingungen möglich ist“, unterstreicht Isabelle Mansuy. Die Forscher vermuten, dass es sich bei dieser reversiblen epigenetischen Vererbung um einen universellen Mechanismus handelt, der auch für die Übertragung anderer Eigenschaften auf die Nachkommen mitverantwortlich ist, beispielsweise Stoffwechselstörungen aufgrund von Mangelernährung oder durch hormonaktive Substanzen ausgelöste Krankheiten.

Literatur:
Katharina Gapp, Johannes Bohacek, Jonas Grossmann, Andrea M. Brunner, Francesca Manuella, Paolo Nanni, Isabelle M. Mansuy. Potential of Environmental Enrichment to Prevent Transgenerational Effects of Paternal Trauma. Neuropsychopharmacology. June 9, 2016. DOI: 10.1038/npp.2016.87

Pressestelle der Universität Zürich, 23.06.2016