Schachbasiertes Training bei Suchterkrankungen

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In zwei wissenschaftlichen Studien untersucht ein Team um Prof. Dr. Sabine Vollstädt-Klein, Forscherin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim, ob ergänzendes schachbasiertes kognitives Training bei der Behandlung von Suchterkrankungen hilft.

Schach kann mehr als ein interessanter Zeitvertreib sein. Das Spiel kann auch therapeutisch eingesetzt werden. Prof. Dr. Sabine Vollstädt-Klein, Leiterin der Arbeitsgruppe „Neuroimaging abhängigen Verhaltens“ am ZI erforscht dies in zwei wissenschaftlichen Studien. Die Forscherin möchte herausfinden, ob sich Schach als ergänzendes Therapieangebot („Therapie-Add-On“) bei suchtkranken Patient/innen positiv auf die Behandlung auswirkt und zu messbaren Veränderungen im Gehirn führt.

Die Teilnehmenden müssen keine guten Schachspieler sein

Der Einsatz von therapeutischem Schach unterscheidet sich vom klassischen Schachspiel. Es handelt sich dabei um ein schachbasiertes kognitives Training, das in einer Gruppentherapie angewendet wird. Dazu wird mit einem Demo-Brett gearbeitet, auf dem Schachpositionen zu sehen sind. Im Laufe einer Sitzung wird jede Patientin/jeder Patient  gebeten, eine Aufgabe am Demo-Brett zu lösen. Dazu müssen die Teilnehmenden keine guten Schachspieler sein. Sie lernen aber im Laufe des Trainings mehr über das Spiel und mögliche Spielzüge.

Neurobiologische Wirkmechanismen identifizieren

„Das schachbasierte kognitive Training ist gerade für abhängigkeitskranke Patienten interessant, da vermutlich genau die Gehirnbereiche gestärkt werden, die bei Abhängigkeitserkrankungen stark beeinträchtigt sind“, sagt Vollstädt-Klein. Die Forscherin erhofft sich, die neurobiologischen und neuropsychologischen Wirkmechanismen der schachbasierten Therapie zu identifizieren. Da die Therapie Gehirnregionen stärken soll, die für Entscheidungsfindung und Kontrolle wichtig sind, ist die Vermutung der Forscher, dass sich auch die Rückfallquote bei Suchtpatient/innen durch das schachbasierte Training vermindern lässt. Gerade alkohol- und nikotinabhängige Patient/innen sind in der Regel stark rückfallgefährdet.

Therapieform oft als weniger langweilig empfunden

Schachbasiertes kognitives Training hat nach Ansicht von Forscherin Vollstädt-Klein zudem den Vorteil, dass es oft als weniger langweilig empfunden wird als andere kognitive Trainings. Zudem können Patient/innen nach einer Therapie das Spiel in ihrer Freizeit weiter betreiben, was wiederum soziale Kontakte fördern kann. Sollte sich die Wirksamkeit des ergänzenden Schachtrainings bestätigen, könnte dies künftig breiter angeboten werden. Sabine Vollstädt-Klein ist deutschlandweit die erste Forscherin, die die möglichen positiven Effekte schachbasierter Therapie bei Abhängigkeitserkrankungen untersucht. Sie ist selbst aktive Turnierspielerin und Gründungsmitglied der International Society for Applied Chess (ISAC), welche die Anwendung von Schach zum Beispiel in der Psychotherapie, der Rehabilitation von Patienten und bei der Arbeit mit Flüchtlingen oder autistischen Kindern unterstützt.

Die Idee zu beiden Studien hatte die Forscherin, als sie vor einigen Jahren in Kontakt mit dem spanischen Psychologen Juan Antonio Montero kam. Er ist Präsident eines spanischen Schachclubs, der sozial und therapeutisch engagiert ist und der diese Therapieform bereits seit rund 15 Jahren praktiziert. Die Studie mit Rauchern führt Vollstädt-Klein in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Herta Flor, Wissenschaftliche Direktorin des Instituts Neuropsychologie und Klinische Psychologie am ZI, im Rahmen des Sonderforschungsbereichs Transregio SFB/TRR 256 „Losing and Regaining Control Over Drug Intake: From Trajectories to Mechanisms to Interventions“ durch.

Pressestelle des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI), 15.07.2019