Ein guter Vater sein wollen, trotz Drogenproblem – aber wie?
Männer, die illegale Drogen konsumieren, werden als Elternteil und Erziehungsverantwortliche sowohl in Forschung und Fachliteratur als auch in der Praxis weitgehend ignoriert. Um diese Lücke zu schließen, haben die Landeskoordinierungsstelle Frauen und Sucht NRW, BELLA DONNA, und das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg (ZIS) eine Studie zum Thema „Problematischer Substanzkonsum und Vaterschaft“ durchgeführt und nun den Abschlussbericht vorgelegt. Die Studie steht auf der Homepage von BELLA DONNA und auf der Homepage des BMG zum Download bereit. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse wird im Folgenden aus dem Abschlussbericht zitiert:
Das vorliegende Projekt zeigt eindrücklich die Ausblendung des Themas Vaterschaft in Drogenforschung und Hilfepraxis auf: Erziehung und Elternschaft werden weitgehend als Themen definiert, die ausschließlich für Frauen Relevanz zu haben scheinen – dies schlägt sich entsprechend deutlich in dem Fokus von Forschungsarbeiten und Hilfemaßnahmen nieder. Damit mangelt es nicht nur an Erkenntnissen, wie sich problematische Drogenkonsummuster auf Vaterschaft, Vaterrolle und Erziehungsverhalten sowie die Entwicklung von Kindern bzw. Töchtern und Söhnen auswirken, sondern es fehlen auch Erfahrungen dazu, welche Barrieren für betroffene Männer hinsichtlich der Übernahme der Vaterrolle bestehen und wie sie darin gestärkt werden können, welche Kompetenzen und Defizite sie mitbringen, wie sie in Erziehung einbezogen werden können und welche Rolle die Thematisierung von Vaterschaft im Hilfe- und Behandlungsprozess spielen kann. Damit fehlt auch die Grundlage für die Konzipierung von Hilfsangeboten für drogenkonsumierende Väter, die auf Verbesserungen von Erziehungsverhalten und -kompetenzen sowie damit zusammenhängende Aspekte abzielen. Darüber hinaus ist zu vermuten, dass gerade dieses Ausblenden der Vaterschaft von Männern mit einer Drogenproblematik und der entsprechende Mangel an evidenzbasierten Erkenntnissen zu einer weiteren Verstärkung des negativen Stereotyps von Drogenkonsumenten/-abhängigen als abwesende, verantwortungslose Väter und als Gefahr für das Wohl ihrer Kinder führt und damit eine Sichtweise begünstigt wird, die – im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung – den Ausschluss von Vätern aus dem Leben ihrer Kinder und aus familienbezogenen Hilfeprozessen festigt.
Mit der vorliegenden Studie wurden diese Defizite aufgegriffen. Erstmals für Deutschland wurde die Perspektive von Mitarbeitenden des Hilfesystems, vor allem aber die Subjektperspektive von betroffenen Vätern mittels eines qualitativen Forschungsdesigns erfasst. Die Narrative der interviewten Väter eröffnen dabei eine differenzierte Sicht auf das Forschungsthema. Durchaus im Einklang mit internationalen Forschungsbefunden zeigen die Interviews einerseits auf, dass drogenabhängige Väter differenzierte Auffassungen darüber haben, was eine gute Vaterschaft ausmacht. Ihre Bilder eines guten Vaters speisen sich jedoch nicht selten aus der Abgrenzung gegenüber dem eigenen Vater und eigenen Kindheitserfahrungen – bei vielen lässt sich das Fehlen einer positiven Vaterfigur feststellen. Andererseits besteht oftmals eine deutliche Diskrepanz zwischen den Intentionen der Befragten, ein guter Vater zu sein, und ihrer Fähigkeit, den eigenen Anforderungen und Vaterbildern gerecht zu werden. Der Drogenkonsum erweist sich dabei für die Mehrheit als die größte Hürde, ihre eigenen Vorstellungen von Vaterschaft zu erfüllen. So decken sich die Berichte der Befragten darüber, welche Auswirkungen ihr Substanzkonsum auf das Erfüllen der Vaterrolle hat bzw. hatte, oftmals mit ihren Beschreibungen eines schlechten Vaters.
Während insbesondere negative Auswirkungen des Drogenkonsums auf die Ausübung der Vaterrolle und das väterliche Engagement beschrieben werden, liefern die erhobenen Daten durchaus Hinweise dazu, dass die Befragten oftmals eine hohe Motivation aufweisen, ihre Vaterrolle besser auszufüllen. In diesem Sinne bietet Vaterschaft durchaus die Chance, als „Wendepunkt“ im Leben von drogenabhängigen Männern zu fungieren. Dies nicht nur hinsichtlich einer Reduzierung/Beendigung des Substanzkonsums, sondern auch hinsichtlich einer weiterführenden psychosozialen Stabilisierung.
Angesichts dieser Befunde lässt sich schlussfolgern, dass drogenabhängige Männer, die Väter sind, von Angeboten und Programmen im Hilfesystem profitieren könnten, die nicht nur ihre Drogenproblematik, sondern vor allem auch ihr Vatersein und die damit zusammenhängenden Belastungen, Defizite aber auch Kompetenzen adressieren. Damit könnte auch dem in den Interviews häufig formulierten Wunsch an die Drogenhilfe nach einer Thematisierung von Vaterschaft gerecht werden. Mit der Unterstützung ihrer Bemühungen als Väter könnte eine verantwortungsvollere Vaterschaft gefördert werden, die letztlich sowohl für die betroffenen Männer als auch für ihre Kinder gewinnbringend sein könnte. Um die Entwicklung von Angeboten, deren Implementierung ebenso wie die Evaluation ihrer Wirksamkeit voranzubringen, bedarf es der klaren Anerkennung der Vaterrolle von drogenabhängigen Männern und eines entsprechenden Transfers in zukünftige Forschungsbemühungen und Behandlungsansätze.
Quelle: Christiane Bernard, Martina Tödte, Sven Buth, Hermann Schlömer, Jens Kalke: Problematischer Substanzkonsum und Vaterschaft. Abschlussbericht, Essen und Hamburg 2016, S. 5 f.