Potente Wirkstoffe

Täglich sterben weltweit tausende Menschen an der Überdosierung von Opioiden wie Fentanyl. Medikamente, die auf den Opioid-Rezeptor wirken, haben teils heftige Nebenwirkungen. Ein internationales Forschungsteam hat sich die molekularen Mechanismen dieser Wirkstoffe genauer angeschaut. Die Ergebnisse, die mit Beteiligung von Dr. Matthias Elgeti, Biophysiker der Universität Leipzig, in Kooperation mit Forschergruppen aus den USA und China entstanden sind, wurden im renommierten Wissenschaftsjournal „Nature“ veröffentlicht.

Opioid-Rezeptoren sind von sehr großem pharmakologischem Interesse, denn Opioid-Wirkstoffe regulieren die Schmerzwahrnehmung. „Unsere Ergebnisse geben einen Einblick, wie ein Opioid-Rezeptor unterschiedliche Funktionen ausführen kann. Er ist in der Lage, Schmerzen zu mindern, aber auch die Verdauung oder die Atmung zu regulieren“, erklärt Dr. Elgeti, Co-Erstautor der Studie, vom Institut für Wirkstoffentwicklung der Medizinischen Fakultät.

Der Biophysiker hat in der aktuellen Studie mit internationalen Wissenschaftler:innen zusammengearbeitet, unter anderem der Forschungsgruppe des Nobelpreisträgers Brian Kobilka von der Stanford University. Dabei fanden sie heraus, dass sogenannte Super-Agonisten wie Fentanyl einen Zustand des Rezeptors stabilisieren, der eine besonders effektive und andauernde Signalweiterleitung hervorruft. Dies macht Super-Agonisten besonders potent und deshalb gefährlich.

Wie die Rezeptor-vermittelte Signalweiterleitung funktioniert, zeigt die Abbildung: Opioid-Rezeptoren befinden sich in der Zellmembran und binden Wirkstoffe auf der Außenseite. Dies bewirkt Strukturänderungen im Rezeptor, die dann auf der Innenseite durch unterschiedliche Signalproteine erkannt werden.

Rezeptor-vermittelte Signalweiterleitung. Abbildung: Matthias Elgeti

Die Opioid-Rezeptoren sind Mitglieder der großen Familie der „G-Protein-gekoppelten Rezeptoren“ (GPCRs), die viele Signalprozesse im Körper steuern, zum Beispiel Geschmack und Geruch, wieder andere binden Neurotransmitter oder Hormone oder werden durch Licht aktiviert. Das Verständnis der molekularen Interaktionen dieser Rezeptoren mit Medikamenten und anderen Signalproteinen ist sehr wichtig für die Entwicklung von Medikamenten. Da alle GPCRs große strukturelle Ähnlichkeiten aufweisen, erhoffen sich die Forscher, die Erkenntnisse zum Opioid-Rezeptor auch auf andere Rezeptoren übertragen zu können.

„Für die aktuelle Studie wurden die Opioid-Rezeptoren isoliert. Normalerweise sind sie in den Zellen des Körpers im Zusammenspiel mit vielen anderen Proteinen und Molekülen. Die Erforschung weiterer molekularer Interaktionen ist also wichtig, um ein volles Verständnis der Regulierungsmechanismen zu erlangen“, erklärt Dr. Elgeti. Die neue Studie stellt einen wichtigen Baustein aus der Grundlagenforschung dar, weitere Studien sind notwendig, um letztendlich bessere und sicherere Medikamente zu entwickeln.

Originalpublikation in Nature: Ligand efficacy modulates conformational dynamics of the µ-opioid receptor. DOI: 10.1038/s41586-024-07295-2

Pressestelle der Universität Leipzig, 11.4.2024