Niedrigschwellige Corona-Impfangebote und „Booster-Impfungen“ für Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. ruft zur niedrigschwelligen Durchführung von Corona-Schutzimpfungen und der Auffrischung des Impfschutzes für Menschen, die von Abhängigkeitserkrankungen betroffen sind, auf.

In der aktuellen Entwicklung der Corona-Pandemie sorgt die vierte Welle im November 2021 bereits für neue Höchststände bei den Infektionen mit dem Corona-Virus. Dies ist besonders problematisch für vulnerable Personengruppen, für die die aktuellen Möglichkeiten der Schutzimpfung und der Impfauffrischung mit Zugangshürden verbunden sind.

Für Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen trifft dies im besonderen Maße zu, denn sie zählen aufgrund häufiger Vorerkrankungen zur Hochrisikogruppe für Infektionen mit dem Corona-Virus und schwere Verläufe einer Covid-19-Erkrankung. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass Menschen, deren Lebenssituation es schwierig macht, die pandemiebedingt notwendigen Hygieneregeln umzusetzen (z. B. wohnungslose Personen mit einer Abhängigkeitsproblematik), Infektionsketten induzieren, sollten sie über keinen ausreichenden Impfschutz verfügen. Weitere soziale und gesundheitliche Problemlagen kennzeichnen die Lebenssituation vieler Betroffener zusätzlich und sorgen für ein hohes Schutzbedürfnis dieser Gruppe.

Menschen in besonders unsicheren und problematischen Lebensbedingungen sind durch Hilfsangebote schwierig zu erreichen. Während der ersten Jahreshälfte 2021 bemühten sich u. a. Einrichtungen der Suchthilfe um niedrigschwellige Impfangebote. Dazu gehörte oftmals der Einsatz des Impfstoffs Janssen® von Johnson & Johnson. Dieser hat den Vorteil, dass ein Impfschutz bereits nach der einmaligen Vergabe besteht und er somit aus organisatorischen und logistischen Gründen für schwer erreichbare Personengruppen (z. B. für wohnungslose Suchtkranke oder Suchtkranke mit ungeklärtem Aufenthalts- und/oder Versicherungsstatus) gut geeignet war.

Mittlerweile gibt es klare Empfehlungen für die Auffrischung des Impfschutzes („Booster-Imfpungen“):

  • Bei Erstimpfung mit zwei Impfterminen nach sechs Monaten (bei allen entsprechenden Impfstoffen).
  • Bei Erstimpfung mit Johnson & Johnson nach vier Wochen.

Die Auffrischung des Impfschutzes bzw. ein Impfangebot für alle bislang noch nicht Geimpften ist dringend erforderlich, um Hochrisikogruppen vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus zu schützen. Diese Angebote müssen bekannt und niedrigschwellig zugänglich sein, um von schwer erreichbaren Gruppen in Anspruch genommen werden zu können.

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. und ihre Mitgliedsverbände appellieren daher an alle beteiligten Akteure, sich für die Schaffung und Bereitstellung von niedrigschwelligen Impfangeboten einzusetzen und an der Umsetzung mitzuwirken.

Diese Akteure können einen Beitrag dazu leisten:

  • Träger und Einrichtungen der Suchthilfe, insbesondere niedrigschwellige Angebote und Reha-Einrichtungen, aber auch weitere Einrichtung mit entsprechenden Möglichkeiten, können an der Bereitstellung von Impfangeboten mitwirken. Hierfür können auch neue Wege und Kooperationen angeregt werden, z. B. der Ausbau der Zusammenarbeit mit Hausärztinnen und Hausärzten, die in niedrigschwelligen Einrichtungen Impfungen durchführen können.
  • Örtliche Gesundheitsämter können neben bestehenden – und wünschenswerterweise wieder vermehrt geöffneten – Impfzentren verstärkt niedrigschwellige und mobile Impfangebote ausbauen, um in problembehafteten Regionen und Stadtvierteln eine höhere Inanspruchnahme der Impfangebote durch schwer erreichbare Zielgruppen zu ermöglichen.
  • Verbände und Träger der Suchthilfe, Landesstellen und Landesverbände der Suchthilfe können sich im Sinne dieses Appells einsetzen und an der Erreichung einer möglichst hohen Impfquote mitwirken. Die Aufklärung und Motivation zur Impfung und deren Auffrischung sowie die Organisation und Bekanntmachung von niedrigschwelligen Impfangeboten kann durch die Verbände entscheidend gefördert werden. Die Kenntnis um die Angebote und Möglichkeiten, sich impfen zu lassen, muss bei den Betroffenen ankommen. Hieran mitzuwirken, sollte unser Anliegen sein.
  • Verbände und Gruppen der Sucht-Selbsthilfe können ebenfalls Überzeugungsarbeit leisten. Der Kontakt auf Augenhöhe ist ein Prinzip der Selbsthilfe, das hierfür genutzt werden sollte. Die Sensibilisierung für die Risiken eines unzureichenden Impfschutzes und die Vorteile der Impfung sowie die Motivation zur Auffrischung oder erstmaligen Impfung können durch Verbände der Selbsthilfe sowie den direkten Kontakt in Gruppen vermittelt werden.
  • Politische Entscheidungstragende auf kommunaler, Landes- und Bundesebene schaffen die Rahmenbedingungen, die für eine Umsetzung niedrigschwelliger Impfangebote maßgeblich sind. Hindernisse und Hürden zu erkennen und abzubauen, gelingt durch Kooperation mit durchführenden Akteuren in der Suchthilfe, ärztlichem Fachpersonal und den örtlich zuständigen Behörden. Auf Bundes- und Landesebene können politische Entscheidungstragende im Sinne dieses Appells auf die Notwendigkeit der niedrigschwelligen Impfangebote aufmerksam machen und sich für deren Durchführung einsetzen.

Appell der DHS zum Download

Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.
Hamm, November 2021