Expert*innen und Verbände fordern Verschiebung
Zahlreiche Fachgesellschaften sorgen sich um den Schutz von Glücksspieler*innen, wenn der Entwurf zum Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens (GlüNeuRStV) in Kraft treten sollte. Sie haben einen Brief an die Ministerpräsident*innen verfasst, in dem sie fordern, die Verabschiedung zunächst auszusetzen. Federführend ist hierbei der Fachbeirat Glücksspielsucht, der befürchtet, dass durch die geplante Neuregulierung die Gefährdung von Glücksspieler*innen deutlich ansteigen würde.
Der Fachbeirat und 20 weitere Verbände kritisieren, dass Wissenschaftler*innen, Betroffene und Angehörige bei der Entstehung des Entwurfs nicht beteiligt waren. Die Maßnahmen berücksichtigen nicht ausreichend den Stand der Forschung im Hinblick auf die Suchtgefahr der Glücksspiele. Die Fachleute sehen insbesondere die Öffnung des Marktes für Online-Glücksspiele kritisch, da Forschungsstudien zeigen, dass gerade diese Angebote besondere Suchtrisiken aufweisen. Im Brief an die Entscheidungsträger wird betont, dass die erhöhte und besonders einfache Verfügbarkeit von Online-Glücksspielangeboten zu neuen Risiken der Suchtentwicklung, -aufrechterhaltung und Rückfallgefährdung führt. Die Verführung ist besonders hoch, wenn zu jeder Tages- und Nachtzeit vom Smartphone aus gespielt werden kann. Hochrechnungen legen nahe, dass dadurch die Zahl der problematischen und süchtigen Glücksspieler steigen wird.
Der Versuch, Nutzer*innen von Online-Angeboten dadurch zu schützen, dass Glücksspieler*innen nicht mehr als 1.000 Euro pro Monat verspielen dürfen, greift aus Sicht der Suchtexpert*innen zu kurz. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass Glücksspieler*innen neben den Online-Angeboten meist auch noch offline spielen, also in der Spielhalle oder im Wettbüro. Zusammengenommen entstünden sehr schnell hohe Verlustsummen, die die Betroffenen in die Schulden treiben und den Teufelskreislauf der Sucht aufrechterhalten. Weiterhin fordern die Experten*innen u. a., auf Werbung weitestgehend zu verzichten. Ins-besondere die Risikogruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen fühle sich dadurch besonders angesprochen. Sie bemängeln auch, dass die Maßnahmen der vergangenen Glücksspielstaatsverträge nicht wissenschaftlich auf ihre Wirkung hin untersucht wurden. Das müsse diesmal anders sein, aber dafür bräuchte man zunächst eine Erhebung des jetzigen Stands, sonst könnte man nicht untersuchen, was sich durch die neuen Regelungen ändert.
Die Suchtexpert*innen bitten die Ministerpräsident*innen dringlich, den jetzigen aus ihrer Sicht übereilten Entwurf nicht zu verabschieden, sondern den noch gültigen 3. Staatsvertrag zu verlängern. Gleichzeitig sollte ein aus der Perspektive des Spielerschutzes verbesserter GlüNeuRStV in Zusammenarbeit mit Fachleuten und Betroffenen entwickelt werden.
Website des Fachbeirats:
https://innen.hessen.de/buerger-staat/gemeinsame-geschaeftsstelle-gluecksspiel/fachbeirat
Pressemitteilung des Fachbeirates Glücksspielsucht nach § 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV – eine unabhängige Einrichtung zur Beratung der Länder, 10.03.2020
Eine ausführliche Stellungnahme des Fachbeirates, weitere Empfehlungen und Hintergrundinformationen finden Sie hier:
https://innen.hessen.de/buerger-staat/geschaeftsstelle-gluecksspiel/gluecksspielkollegium/fachbeirat/beschluesse-und