Leitfaden für Ärzte zur substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger

Die Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen (BAS) hat die 4. vollständig überarbeitete Auflage ihrer Publikation „Leitfaden für Ärzte zur substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger“ veröffentlicht. Der Leitfaden steht auf der Homepage der BAS zum Download bereit. Das Vorwort zur 4. Auflage fasst wichtige Neuerungen zusammen:

Am 2.10.2017 wurde eine umfangreiche Änderung der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) in Kraft gesetzt, die vor allem zum Ziel hatte, die ärztlich therapeutisch notwendigen Erfordernisse der Substitutionsbehandlung von den Erfordernissen der Kontrolle und Überwachung des BtM-Verkehrs sauber zu trennen. Damit wurde der in der Vergangenheit vielfach geäußerten Kritik aus der Ärzteschaft an der zu großen juristischen Einflussnahme bei der Substitution Rechnung getragen. Einhergehend mit der Änderung der BtMVV war deshalb eine Anpassung der Richtlinien der Bundesärztekammer nötig, die fortan den allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Substitutionsbehandlung feststellt und Regelungen für die Therapie und die Kontrolle des Therapieverlaufs trifft. Entlastet wurden die Ärzte auch von der Verpflichtung, bei Verabreichung des Substitutionsmittels außerhalb der Praxis am Ende des Monats noch die Bestände, die unter ihrer Verantwortung dort gelagert werden, zu kontrollieren, sofern sie darüber eine Vereinbarung treffen und die Dokumentation sicherstellen.

Von wesentlichem Einfluss wird sicher auch die Änderung der Definition einer Substitution gemäß § 5 sein, da hier nunmehr alle opioidabhängigen Patienten danach behandelt werden können, unabhängig davon, wie sie sich diese chronische Erkrankung erworben haben. Die Abkehr von der Forderung nach grundsätzlich anzustrebender Opioidabstinenz in der therapeutischen Zielsetzung war suchtmedizinisch nicht haltbar und wurde den Zielen bei anderen erworbenen chronischen Erkrankungen entsprechend in eine realistischere „Soll“-Zielsetzung umgewandelt. Die juristische Forderung nach Abstinenz von unerlaubt erworbenen oder erlangten Opioiden als Ziel belässt nunmehr alle anderen Bewertungen des Beigebrauchs in der therapeutischen Verantwortung des Arztes – auch dies eine Änderung, die von Fachleuten lange Zeit gefordert wurde.

Nicht zuletzt wurde die Entscheidung, wann und in welchem Maße ein Patient psychosoziale/psychiatrische Betreuung benötigt, in die Zuständigkeit des Arztes im Rahmen der richtlinienkonformen Behandlung gegeben und damit einer juristischen Bewertung entzogen.

Dem Ziel einer flexibleren Versorgung der Patienten entsprechend wurden u. a. die Möglichkeiten der externen Vergabe von Substitutionsmitteln erweitert, die Überbrückung der Wochenendversorgung mittels Z-Rezepten verlängert, eine großzügigere Verordnung von Take Home Dosen über sieben Tage hinaus für Einzelfälle erlaubt, die Kombination von Sichtbezug und Take Home in der Apotheke auf der Verordnung ermöglicht und die Konsiliarbehandlung für nicht in Suchtmedizin ausgebildete Ärzte auf bis zu zehn Patienten erweitert.

Die Änderung der BtMVV ist in ihrer Struktur auf breitere Kooperation mit anderen Berufsgruppen angelegt. Es ist vor allem Aufgabe der Ärzte, diese Kooperationen zu schaffen, zu strukturieren und zu leiten. Aus diesem Grunde wird auch für die externe Verabreichung von Substitutionsmitteln verlangt, dass der Arzt eine (schriftliche oder elektronische) Vereinbarung mit seinen externen Partnern trifft.

Die Änderung der BtMVV sorgt für nicht unerheblichen Mehraufwand in den Apotheken, ohne dass bis zum heutigen Tage eine entsprechende Honorierung bundesweit erfolgt ist. Die Apothekerschaft hat trotzdem zugestimmt, um hier einen Beitrag zur Versorgung dieser Patienten zu leisten. Die Forderung nach angemessener Honorierung ist damit umso dringender.

Die psychosozialen Beratungsstellen, die in der Vergangenheit unverzichtbarer Partner in der Substitution waren, wenngleich ihre Finanzierung nicht in die Zuständigkeit der Krankenkassen gefallen ist, müssen in der Zukunft eine neue Verbindlichkeit für diese Betreuung finden. Die Tatsache, dass ihre Einbeziehung nicht mehr zwingend im Gesetz gefordert wird, darf keineswegs von den Kostenträgern dahingehend umgemünzt werden, dass dort weniger/kein Bedarf besteht.

Die Reform der BtMVV war nicht zuletzt auch getragen von dem Wunsch, mehr Ärzte für diese Behandlung zu motivieren und diese Behandlung mehr Patienten zugängig zu machen. Es liegt jetzt an allen Beteiligten, allen voran der Ärzteschaft, das Gesetz mit Leben zu füllen und die Möglichkeiten zum Wohl der Patienten auszuschöpfen.

Quelle: Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen (BAS), Leitfaden für Ärzte zur substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger. 4. vollständig überarbeitete Auflage, 2018, S. 4-5