ICD-11 von der World Health Assembly verabschiedet

Die 72. Weltgesundheitsversammlung (World Health Assembly, WHA) hat am 25.05.2019 die 11. Revision der ICD verabschiedet. Sie ist das Ergebnis 12-jähriger internationaler Entwicklungsarbeit von 96 Mitgliedsstaaten, an der auch das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) intensiv beteiligt war. Die Resolution zur Verabschiedung hat die WHO auf ihrer Website veröffentlicht. Um den Einsatz der ICD-11 in den Mitgliedsstaaten vorzubereiten, stellt die WHO Trainingsprogramme und Tools zur Verfügung.

Mit der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten (ICD) werden Todesursachen weltweit standardisiert verschlüsselt und entsprechende Statistiken erstellt. Sie ist Grundlage für die Gesundheitsberichterstattung der Mitgliedstaaten und der WHO. Nationale Übersetzungen dienen dem standardisierten Austausch von Gesundheitsinformationen z. B. für Abrechnung, Qualitätssicherung, Prävention, Forschung und Statistik.

Wesentliche Gründe für die Revision waren der Wunsch, spezielle Sachverhalte differenzierter als bisher verschlüsseln zu können, und die Notwendigkeit, die ICD den Bedürfnissen digitalisierter Gesundheitssysteme anzupassen. Die ICD-10 wurde daher inhaltlich (medizinisch-wissenschaftliche Aspekte), strukturell (klassifikatorische Aspekte) und konzeptionell (informationstechnologische Aspekte) weiterentwickelt.

Gegenüber der ICD-10 ist die ICD-11 strukturell wesentlich flexibler. Das gilt sowohl in Hinblick auf die inhaltlichen Anforderungen ihrer vielen verschiedenen Nutzer als auch in Bezug auf die Anforderungen der Informationstechnologie. Diese Flexibilität geht aber auch mit einer erhöhten Komplexität einher. Deshalb soll die ICD-11 am 1. Januar 2022 in Kraft treten, und erst nach einer flexiblen Übergangszeit von fünf Jahren sollen Todesursachen ausschließlich mit der ICD-11 kodiert werden.

Was ist neu in der ICD-11?

Neu sind die technische Struktur und die Zusammenführung aller Informationen in einer umfassenden Datenbasis, der „Foundation“, aus der anwendungsspezifische Fassungen der ICD, die „Linearizations“ abgeleitet werden können. Diese neue, flexible Struktur eröffnet zusätzliche Chancen, z. B. bei der Vernetzung mit anderen Terminologien oder Klassifikationssystemen und bei der Berücksichtigung spezifischer Anforderungen der unterschiedlichen Anwendungsbereiche.

Eine weitere wichtige Neuerung sind die bereitgestellten digitalen Tools und Plattformen. Sie unterstützen einerseits Implementierung, Pflege, Testung und Übersetzung der ICD-11 sowie andererseits Anwendung und Kodierung. So wird z. B. das bisherige Alphabetische Verzeichnis durch das ICD-11 Coding Tool ersetzt.

Inhaltlich hat die ICD-11 sechs neue Kapitel. Drei Kapitel entstanden durch Herausnahme bestimmter Bereiche aus bestehenden Kapiteln: Kap. 04 „Krankheiten des Immunsystems“, Kap. 07 „Schlaf-Wach-Störungen“ und Kap. 17 „Zustände mit Bezug zur sexuellen Gesundheit“. Ebenfalls neu ist Kap. 27 „Zustände gemäß der traditionellen Medizin – Modul 1“.

Die ICD-10 folgte dem Grundsatz „Ein Kode für eine Krankheit und so viele präkombinierte Kodes wie möglich“. Dagegen ist die ICD-11 durch das so genannte Cluster coding gekennzeichnet: Wenige Basiskodes werden jeweils durch zusätzliche Kodes spezifiziert. Dazu dienen u. a. die beiden neuen Kapitel X „Zusatzschlüsselnummern“ und V „Ergänzender Abschnitt für die Einschätzung der Funktionsfähigkeit“.

ICD-11 in Deutschland

Das DIMDI ist WHO-Kooperationszentrum für das System Internationaler Klassifikationen und hat mit seiner langjährigen Erfahrung aus Einsatz und Weiterentwicklung der ICD-10 bei der Entwicklung der ICD-11 eng mit der WHO zusammengearbeitet. So konnten viele für Deutschland als wichtig erachtete Aspekte bereits in der Entwicklungsphase eingebracht und berücksichtigt werden.

Der zukünftige Einsatz der ICD-11 in Deutschland zur Mortalitäts- und Morbiditätsverschlüsselung ist Gegenstand von Beratungen mehrerer Arbeitsgruppen. Daran beteiligen sich neben Bundesgesundheitsministerium und DIMDI die medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), die Selbstverwaltungspartner im Gesundheitswesen und weitere Organisationen des deutschen Gesundheitswesens. Wegen des vielfältigen Einsatzes der ICD-10-GM ist sehr sorgfältig zu evaluieren, wie sich ein Umstieg auswirkt und welche Anforderungen an eine deutsche Fassung der ICD-11 bestehen.

Um einen Einsatz der ICD-11 in Deutschland vorzubereiten, laufen darüber hinaus ICD-11-bezogene Projekte beim DIMDI. Hervorzuheben ist insbesondere die Übersetzung aller Einträge der über 100.000 Entitäten umfassenden Foundation der ICD-11. In Abstimmung mit Experten sollen dabei sukzessive übersetzte und validierte Bereiche der ICD-11 bereitgestellt werden.

Pressestelle des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), 27.05.2019