Glücksspiel-Survey 2023 erschienen

Das Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD) und die Universität Bremen (Arbeitseinheit Glücksspielforschung) haben am 6. März 2024 die wichtigsten Ergebnisse des Glücksspiel-Surveys 2023 veröffentlicht. Für die Datenerhebungen war die INFO GmbH Markt- und Meinungsforschung (Berlin) verantwortlich. Gefördert wurde diese Studie vom Deutschen Lotto- und Toto- block.

„Der Glücksspiel-Survey 2023 soll dazu beigetragen, das Wissen über die Art und Intensität der Teilnahme am Glücksspiel und die damit in Zusammenhang stehenden Probleme weiter zu vertiefen. Auf Grundlage der Ergebnisse dieser Untersuchung können Maßnahmen des Spieler- und Jugendschutzes evaluiert und gegebenenfalls verbessert werden“, so der Projektleiter Dr. Jens Kalke vom ISD.

Die Grundgesamtheit der vorliegenden Studie ist die deutschsprachige Bevölkerung im Alter zwischen 16 und 70 Jahren. Die Datenerhebung erfolgte in Form eines Mixed-Mode-Designs, welches sowohl telefonische als auch onlinegestützte Befragungen beinhaltete. Zwischen dem 1. August und dem 16. Oktober 2023 wurden insgesamt 12.308 Interviews durchgeführt.

Nach den Ergebnissen des Glücksspiel-Surveys 2023 haben innerhalb eines Jahres (4. Quartal 2022 bis 3. Quartal 2023) insgesamt 36,5 % der Bevölkerung an mindestens einem Glücksspiel um Geld teilgenommen. Am beliebtesten ist das klassische LOTTO 6aus49. Jede fünfte Person hat während der zurückliegenden zwölf Monate vor der Befragung zumindest einmal einen Spielschein dieser Lotterie erworben (19,8 %). Es folgen der Eurojackpot mit einem Anteil von 13,0 %, die Rubbellose mit 7,6 % sowie die Soziallotterie Aktion Mensch mit 7,3 %.

Bei 2,4 % der deutschen Bevölkerung im Alter von 18 bis 70 Jahren ist anhand der Kriterien des DSM-5 (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen) eine „Störung durch Glücksspielen“ erkennbar (leichter Schweregrad: 1,0 %, mittlerer Schweregrad: 0,7 %, schwerer Schweregrad: 0,7 %).

„Die Ergebnisse des Glücksspiel-Surveys 2023 verweisen darauf, dass das Risiko, glücksspielbedingte Probleme zu entwickeln, sich hinsichtlich der Glücksspielformen unterscheidet. Vorrangiges Merkmal riskanter Spielformen ist eine hohe Ereignisfrequenz bzw. rasche Spielabfolge und kurze Zeitspanne zwischen Einsatz und Spielergebnis. Bei der Gestaltung und Etablierung von Spieler- und Jugendschutzmaßnahmen in Deutschland sollte dies dahingehend Berücksichtigung finden, dass Präventionskonzepte für Glücksspiele mit einem erhöhten Gefährdungspotenzial wie Automatenspiele, Live-Sportwetten und Poker eher restriktiv gestaltet und verhältnispräventiv ausgerichtet werden“, so Prof. Dr. Gerhard Meyer von der Universität Bremen.

Das soziale Umfeld von Menschen mit glücksspielbezogenen Problemen bildet im Glücksspiel-Survey 2023 einen thematischen Schwerpunkt. Dazu Dr. Sven Buth, Mitautor der Studie: „Glücksspielstörungen stellen nicht nur für die Betroffenen eine erhebliche Einschränkung der Lebensgestaltung und Lebensqualität dar. Auch Angehörige oder engere Freunde/Bekannte sind oftmals selbst erheblichen finanziellen, sozialen und gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt, die mit der Erkrankung der ihnen nahestehenden Person einhergehen. Insbesondere niedrigschwellige Beratungs- und Hilfeangebote sollten daher für diesen Personenkreis verstärkt entwickelt und implementiert werden.“

Die wichtigsten Ergebnisse des Glücksspiel-Surveys sind im Folgenden zusammengestellt. Der gesamte Bericht steht auf der Website des ISD zum Download zur Verfügung.

Wichtige Ergebnisse des Glücksspiel-Surveys 2023

Zielsetzung und Hintergrund

Mit dem Glücksspiel-Survey soll ein Beitrag geleistet werden, die epidemiologischen Erkenntnisse über die Glücksspielteilnahme und -probleme der bundesdeutschen Bevölkerung weiter zu verbessern. Auf der Grundlage solcher – im Abstand von zwei Jahren erhobenen – Daten können Maßnahmen des Spieler- und Jugendschutzes evaluiert und gegebenenfalls verbessert werden.

Das Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD) und die Universität Bremen (Arbeitseinheit Glücksspielforschung) haben die Aufgabe übernommen, die Glücksspiel-Surveys der Jahre 2021, 2023 und 2025 durchzuführen. Für die Datenerhebungen ist die INFO GmbH Markt- und Meinungsforschung (Berlin) verantwortlich.

Mit der Durchführung des Glücksspiel-Surveys 2021 war ein methodischer Neustart verbunden. Zum einen gab es eine veränderte Erhebungsmethodik (kombinierte Telefon- und Onlinebefragung), und zum anderen wurde das Erhebungsinstrument zur Bestimmung glücksspielbezogener Probleme (DSM-5) gewechselt. Ein Vergleich mit den bis 2019 durchgeführten Surveys war daher nur eingeschränkt möglich. Die in diesem Bericht dargelegten Ergebnisse lassen nun aber erstmals einen Vergleich von Befunden verschiedener Erhebungen (2021 vs. 2023) zu, welche jeweils auf Basis der veränderten Methodik durchgeführt wurden.

Der Glücksspiel-Survey wird finanziell vom Deutschen Lotto- und Totoblock (DLTB) gefördert. Die Verwertungsrechte liegen ausschließlich bei den an diesem Projekt beteiligten wissenschaftlichen Instituten (ISD-Hamburg und Arbeitseinheit Glücksspielforschung der Universität Bremen).

Methodik

Grundgesamtheit der Befragung ist die in der Bundesrepublik Deutschland lebende, Deutsch sprechende Wohnbevölkerung in Privathaushalten im Alter zwischen 16 und 70 Jahren mit mindestens einem Telefonanschluss (Festnetz oder Mobilfunk) bzw. Personen zwischen 16 und 70 Jahren, die in einem der einbezogenen Online-Access-Panel angemeldet sind. Die Interviews wurden im Zeitraum vom 1. August bis 16. Oktober 2023 von der INFO GmbH Markt- und Meinungsforschung durchgeführt.

Der Gesamtstichprobenumfang der Erhebung beträgt 12.308 vollständige Interviews, von denen 65,1 % telefonisch (N=8.014) und 34,9 % als Onlinebefragung (N=4.294) durchgeführt wurden.

Die Ausschöpfung lag für die telefongestützte Erhebung bei 25,8 % und die Antwortrate für die Onlinebefragung bei 17,9 %. Neben der Designgewichtung und der Gewichtung nach soziodemografischen Merkmalen erfolgte zusätzlich noch eine Anpassung hinsichtlich der Erhebungsform. Hierfür sind die Gewichte so berechnet worden, dass die Fallzahlen der telefonischen und onlinegestützten Teilstichproben im gewichteten Datensatz ein Verhältnis von zwei Dritteln zu einem Drittel aufweisen.

Das Screening glücksspielbezogener Probleme der erwachsenen Bevölkerung (18 bis 70 Jahre) erfolgte auf Basis der aktuellen Kriterien des Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen (DSM-5). Für die Bestimmung eines riskanten Alkoholkonsums in den letzten zwölf Monaten kam der AUDIT-C zur Anwendung, und die psychische Gesundheit der Befragten wurde mit dem Mental Health Inventory-5 (MHI-5) erfasst.

Glücksspielteilnahme: 12-Monatsprävalenz

36,5 % der Bevölkerung haben in den letzten zwölf Monaten an mindestens einem Glücksspiel um Geld teilgenommen. Bei den Männern ist dieser Anteil größer als bei den Frauen (40,4 % zu 32,7

%). Aufgegliedert nach Altersgruppen zeigt sich, dass der Anteil aktuell Glücksspielender mit dem Alter ansteigt, bis auf 41,2 % in der Altersgruppe der 56- bis 70-Jährigen. Der Anteil von Spieler:innen beträgt bei den Personen ohne Migrationshintergrund 38,7 %. Bei denjenigen mit einem Migrationshintergrund ist der entsprechende Wert wesentlich geringer: 29,8 %.

12,2 % aller Befragten spielen mindestens wöchentlich, 3,6 % zwei- bis dreimal im Monat, 9,8 % einmal im Monat, und weitere 11,0 % nehmen seltener als einmal im Monat an Glücksspielen teil. Ein gutes Viertel aller Befragten praktiziert ausschließlich eine Glücksspielform(-gruppe) (27,2 %). Bei 6,9 % sind es zwei, bei 1,6 % drei und bei 0,9 % vier und mehr verschiedene Glücksspielformen, die parallel gespielt werden.

17,3 % der Bevölkerung nehmen ausschließlich in stationären Spielstätten an Glücksspielen teil. Etwa jede zehnte Person (10,7 %) spielt ausschließlich Online-Glücksspiele, und 7,8 % bevorzugen eine Kombination aus beiden Settings. Bei allen Zugangswegen ist der Anteilswert bei den Männern größer als bei den Frauen. Das ausschließlich stationäre Glücksspiel findet unter den Älteren eine größere Verbreitung als bei den jüngeren Befragten.

Wird eine Auswertung nach einzelnen Glücksspielformen vorgenommen, steht an erster Stelle das klassische LOTTO 6aus49. Jede fünfte Person hat daran in den letzten zwölf Monaten zumindest einmal teilgenommen (19,8 %). An zweiter Stelle folgt der Eurojackpot mit einem Anteilswert von 13,0 %. Insgesamt haben 6,9 % der Bevölkerung in den letzten zwölf Monaten an riskanten Glücksspielformen teilgenommen – hierzu zählen das Automatenspiel, die Kasinospiele, die Sportwetten und KENO. Getrennt nach dem Zugang zum Glücksspiel (stationär bzw. onlinegestützt) ergeben sich Anteilswerte von 3,8 % für das Online-Glücksspiel und 4,2 % für den stationären Zugangsweg.

Riskantes Glücksspiel und glücksspielbezogene Störungen

Insgesamt 6,1 % aller 18- bis 70-jährigen Befragten erfüllen ein bis drei Kriterien des DSM-5. Bei ihnen ist ein riskantes Spielverhalten nicht auszuschließen.

Von einer glücksspielbezogenen Störung nach DSM-5 sind 2,4 % der deutschen Bevölkerung im Alter von 18 bis 70 Jahren betroffen. Der Anteil mit einer leichten Störung liegt bei 1,0 %, der mit einer mittleren und einer schweren Störung jeweils bei 0,7 %. Männer weisen mit einem Anteilswert von 3,2 % häufiger eine glücksspielassoziierte Störung auf als Frauen (1,4 %).

Der jeweilige Anteil von Personen mit einer glücksspielbezogenen Störung ist unter den Spieler:innen einzelner Spielformen unterschiedlich ausgeprägt. Der höchste Anteilswert findet sich unter den Spieler:innen, die an mindestens einer riskanten Spielform teilnehmen (18,8 %).

Glücksspielprobleme im sozialen Umfeld

Insgesamt 6,7 % der Bevölkerung kennen aktuell eine oder mehrere Personen in ihrem Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis, für die das Wetten oder Spielen um Geld zu einer Belastung oder einem Problem geworden ist (engeres soziales Umfeld: 3,8 %). 12,0 % der Befragten, die – bezogen auf das zurückliegende Jahr vor der Befragung – Personen mit Glücksspielproblemen in ihrem engeren sozialen Umfeld kennen, aber selbst keine glücksspielbezogene Störung nach DSM-5 aufweisen, haben aufgrund der Glücksspielproblematik der ihnen nahestehenden Person in den letzten zwölf Monaten selbst ein Beratungsangebot in Anspruch genommen.

Ferner sind erstmals die Belastungen erhoben worden, denen sich Befragte, die selbst von keiner glücksspielbezogenen Störung betroffen sind, aufgrund von Glücksspielproblemen einer Person ihres engeren sozialen Umfelds ausgesetzt sehen. So berichten mehr als ein Fünftel der betroffenen Angehörigen/Freunde von verminderter Leistungsfähigkeit (21,9 %), und jede/r Vierte leidet an Schlafproblemen (26,0 %). Auch stressbedingte gesundheitliche Probleme (wie z. B. Bluthochdruck oder Kopfschmerzen; 15,0 %) und verstärkt auftretende Depressionen (14,5 %) werden genannt.

Maßnahmen des Jugend- und Spielerschutzes

Die weit überwiegende Mehrzahl der befragten Personen fühlt sich über die Gefahren des Glücksspielens gut oder sehr gut informiert (80,8 %). Am bekanntesten ist in der Bevölkerung das Teilnahmeverbot für Minderjährige. 86,3 % der Befragten wissen, dass Glücksspiele um Geld für Kinder und Jugendliche in Deutschland nicht erlaubt sind. Aufklärungsmaßnahmen und Suchtwarnhinweise zu den Gefahren des Glücksspiels sind bei 76,5 % bzw. 70,3 % der Befragten bekannt. Der Kenntnisstand zu einem Teil der abgefragten Maßnahmen hat seit 2021 etwas abgenommen, z. B. bei der Möglichkeit, monatliche Einsätze zu limitieren (von 29,3 % auf 25,5 %).

Neben der Bekanntheit von Spielerschutzmaßnahmen ist auch deren Zustimmung in der Bevölkerung erhoben worden. Den höchsten Anteil positiver Nennungen finden sich beim Glücksspielverbot für Kinder und Jugendliche. Neun von zehn der Befragten sind der Meinung, dass Glücksspiele um Geld erst ab 18 Jahren erlaubt sein sollten (89,5 %). An zweiter Stelle folgt die Aufklärung über die Suchtgefahren des Glücksspiels mit 85,5 %. Fast drei Viertel aller Befragten plädieren für eine Beschränkung der Werbung für Glücksspiele (74,2 %). Im Vergleich zum Glücksspiel-Survey 2021 haben nahezu alle Maßnahmen eine höhere Zustimmung erfahren.

Vergleich 2021 und 2023

Abgesehen vom Zuwachs beim Eurojackpot und der deutlichen Steigerung des Anteils der Soziallotterien – welcher größtenteils auf die veränderte Art der Erhebung dieser Spielformen zurückzuführen sein dürfte – wird insgesamt ein relatives stabiles Glücksspielverhalten der bundesdeutschen Bevölkerung im Vergleich zwischen 2021 und 2023 sichtbar. In beiden Jahren steht an erster Stelle das klassische LOTTO 6aus49 mit Prozentwerten von 19,3 % bzw. 19,8 %, gefolgt vom Eurojackpot (2021: 10,7 %; 2023: 13,0 %). Mit Blick auf alle anderen Glücksspielarten liegen in beiden Jahren die Prävalenzwerte jeweils unter einem Anteilswert von 8 %. Statistisch bedeutsame Veränderungen innerhalb der hier betrachteten zwei Jahre sind auf der Ebene der einzelnen Glücksspielformen nur bei den Sportwetten mit festen Quoten und den Online-Automatenspielen zu erkennen. Die Spielteilnahme geht hier jeweils leicht zurück.

Beim Vergleich der Anteilswerte glücksspielbezogener Störungen (nach DSM-5) zeigen sich zwischen den beiden Erhebungsjahren keine signifikanten Unterschiede. Der Anteil von erwachsenen Personen mit einer Glücksspielstörung beträgt für das Jahr 2021 2,3 %, im Jahr 2023 sind es 2,4 %.

Empfehlungen für die Praxis

Die Ergebnisse des Glücksspiel-Surveys 2023 verweisen auf das – auch aus vielen anderen nationalen und internationalen Studien bekannte – unterschiedliche Gefährdungspotenzial der einzelnen Glücksspielformen. Bei der Gestaltung und Etablierung von Spieler- und Jugendschutzmaßnahmen in Deutschland sollte dies dahingehend Berücksichtigung finden, dass Präventionskonzepte für die riskanten Glücksspiele eher restriktiv gestaltet und verhältnispräventiv ausgerichtet werden.

Die vorliegenden Ergebnisse verdeutlichen zudem, dass es auch unter den Teilnehmer:innen von Glücksspielen mit geringem Gefährdungspotential einen nennenswerten Anteil von problematisch Spielenden gibt – auch wenn davon auszugehen ist, dass dafür mehrheitlich andere Glücksspielformen ursächlich waren. Aufklärungsmaterialien und Personalschulungen zur Früherkennung von Spielproblemen sollten daher bei allen Glücksspielformen und Spielsettings Teil eines Maßnahmenpakets zum Schutz vulnerabler Spieler:innen sein.

Die Befragungsergebnisse verweisen schließlich auf eine leicht abnehmende Kenntnis bei gleichzeitig wachsender Akzeptanz der verschiedenen Maßnahmen des Jugend- und Spielerschutzes in der Bevölkerung. Dieses ambivalente Ergebnis sollte Anlass sein, den Bekanntheitsgrad der Maßnahmen weiter zu verbessern. Dies gilt insbesondere für die Maßnahmen, die sich an problematisch Glücksspielende richten, wie beispielsweise die Möglichkeit der Limitierung von Geldeinsätzen und Selbsttests.

Gemeinsame Pressemitteilung des Instituts für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD) und der Universität Bremen, 6.3.2024