Europäischer Drogenbericht 2021

Am 9.6.2021 veröffentlichte die EU-Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA) ihren „Europäischen Drogenbericht 2021: Trends und Entwicklungen“, den aktuellsten jährlichen Überblick über die Drogensituation in Europa. Die Publikation ist in 24 Sprachen abrufbar unter www.emcdda.europa.eu/edr2021.

Auf der Grundlage von Daten aus 29 Ländern (EU-27, Türkei und Norwegen) aus dem Jahr 2019 und, soweit verfügbar, aus dem Jahr 2020 bietet der Bericht neue Einblicke in die Auswirkungen eines komplexen Drogenproblems und eines Drogenmarktes, der gegen Störungen durch COVID-19 resistent ist. Der Bericht warnt vor den Risiken für die öffentliche Gesundheit, die durch die Verfügbarkeit und Verwendung einer breiteren Palette von Stoffen, welche oftmals von hoher Wirksamkeit oder Reinheit sind, entstehen.

Außerdem wird beschrieben, wie organisierte kriminelle Gruppen die illegale Drogenproduktion in Europa verstärkt haben, wie sie agieren, um Maßnahmen zur Bekämpfung des illegalen Handels zu umgehen, und welche Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheitsrisiken dadurch entstehen. Gestützt auf die letzte Trendspotter-Studie der EMCDDA werden in dem Bericht die aktuellen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Drogenmärkte, Drogenkonsum und Drogenhilfe untersucht.

COVID-19: Auswirkungen auf das Drogenangebot und den Drogenkonsum

Ein robuster und digital besser funktionierender Drogenmarkt

Der aktuelle Bericht präsentiert die Ergebnisse der jüngsten Trendspotter-Studie der EMCDDA und veranschaulicht, wie sich der Drogenmarkt weiterhin an die COVID-19-Krise adaptiert, indem sich Drogenhändler an Reisebeschränkungen und Grenzschließungen anpassen. Auf der Großhandelsebene schlägt sich dies in einigen Änderungen bei den Schmuggelrouten und -methoden nieder, wobei der Schmuggel über intermodale Container und kommerzielle Lieferketten stärker in den Vordergrund rückt und weniger auf den Einsatz menschlicher Kuriere gesetzt wird. Der Cannabisanbau und die Herstellung synthetischer Drogen in der EU scheinen auf dem Niveau von vor der Pandemie stabil zu sein, wobei bei der Aushebung von Produktionsstätten kein Rückgang zu verzeichnen ist. Obwohl die Straßenmärkte für den Drogeneinzelhandel während der frühen Lockdowns gestört wurden und einige lokale Engpässe gemeldet wurden, haben sich Drogenverkäufer und -käufer angepasst, indem sie verstärkt auf verschlüsselte Nachrichtendienste, Social-Media-Apps, Online-Quellen sowie Post- und Lieferdienste zurückgreifen. Dies wirft die Frage auf, ob die weitere Digitalisierung der Drogenmärkte eine langfristige Auswirkung der Pandemie sein könnte.

 Vom „Night Life“ zum „Home Life

Es gibt Hinweise darauf, dass in den frühen Lockdown-Phasen das Interesse der Verbraucher an Substanzen, die üblicherweise mit Freizeitveranstaltungen in Verbindung gebracht werden (z. B. MDMA), geringer war, da die Menschen zu Hause blieben. Die Analyse von Abwasserproben (die für einige europäische Städte verfügbar ist) legt jedoch nahe, dass sich der Konsum der meisten Drogen wieder erholt hat, nachdem die Beschränkungen für Reisen und gesellschaftliche Zusammenkünfte im Sommer 2020 gelockert wurden. Zu den besorgniserregenden Entwicklungen im Zusammenhang mit der Pandemie zählen Anzeichen für eine mögliche Zunahme der Verfügbarkeit und des Konsums von Crack in einigen Ländern.

Benzodiazepine im Fokus

Besondere Bedenken werden im Zusammenhang mit dem Missbrauch von Benzodiazepinen geäußert, die entweder nicht für therapeutische Zwecke eingesetzt werden oder für medizinische Zwecke in Europa nicht zugelassen sind. Ein Anstieg des Konsums dieser Drogen ist bei Hochrisiko-Drogenkonsumierenden, Strafgefangenen und einigen Gruppen von Freizeitdrogen-Konsumierenden zu beobachten, was möglicherweise auf die hohe Verfügbarkeit und die niedrigen Kosten dieser Substanzen sowie auf pandemiebedingte psychische Gesundheitsprobleme zurückzuführen ist. Neben dem Drogenbericht veröffentlichte die EMCDDA zeitgleich eine Studie über die Risiken eines unkontrollierten Auftretens neuer Benzodiazepine auf dem Markt für neue psychoaktive Substanzen, die mit Vergiftungen und Todesfällen in Verbindung gebracht wurden.

Europäischer Drogenbericht 2021: Wichtigste Ergebnisse

Der Cannabiskonsum bleibt auf hohem Niveau stabil. Es wurde jedoch ein Anstieg des THC-Gehalts von Cannabisharz (durchschnittliche Spanne: 20%–28%) beobachtet. Warnungen vor Gesundheitsschädlichkeit betreffen Cannabis, das mit hochpotenten synthetischen Cannabinoiden gestreckt wurde. 2019 wurde eine Rekordmenge von 213 Tonnen Kokain beschlagnahmt (gegenüber 177 Tonnen im Jahr 2018). Die Reinheit des Kokains hat sich erhöht, und mehr Menschen begeben sich zum ersten Mal in Behandlung. Vorläufige Daten zu Sicherstellungen im Jahr 2020 legen nahe, dass die Verfügbarkeit während der Pandemie nicht zurückgegangen ist.

Die stabile Amphetamin-Nachfrage macht die inländische Produktion in Verbrauchernähe profitabel. 2019 wurden in der EU Produktionsanlagen ausgehoben und auch chemische Stoffe zur Herstellung von Amphetamin sichergestellt, darunter 14.500 Liter BMK und 31 Tonnen MAPA (gegenüber sieben Tonnen im Jahr 2018). Die Herstellung und der Handel mit Methamphetamin weisen auf das Potenzial für einen vermehrten Konsum in Europa hin. Sowohl große als auch kleinere Produktionsstätten wurden in Europa entdeckt. Große Mengen der Droge wurden über die EU auf andere Märkte umverteilt. Neben dem Anstieg des durchschnittlichen MDMA-Gehalts in Tabletten und des Reinheitsgrads von Pulvern wurden auch Produkte mit sehr hohem MDMA-Gehalt gefunden. Vorläufige Daten aus dem Jahr 2020 deuten darauf hin, dass das Interesse an dieser Droge in Zeiten des Lockdowns zurückgegangen ist.

Schädliche potente neue psychoaktive Substanzen treten nach wie vor auf, darunter sind auch neue synthetische Cannabinoide und neue synthetische Opioide. Im Jahr 2020 wurden in Europa insgesamt 46 neue psychoaktive Substanzen (NPS) erstmals gemeldet, womit sich die von der EMCDDA überwachte Gesamtzahl auf 830 erhöhte. Für Halluzinogene, Ketamin und GHB wurden für manche Settings intensive Konsummuster gemeldet. Nach wie vor werden große Mengen Heroin in der EU sichergestellt (7,9 Tonnen im Jahr 2019). Dies gibt Anlass zur Sorge hinsichtlich der möglichen Auswirkungen auf die Konsumraten.

Organisierte kriminelle Gruppen intensivieren die illegale Drogenproduktion in Europa. 2019 wurden insgesamt 370 illegale Labore ausgehoben. Drogendelikte nehmen zu, wobei der Besitz und das Angebot von Cannabis überwiegen. 2019 wurden in der EU schätzungsweise 1,5 Millionen Drogendelikte gemeldet; 82 % davon standen im Zusammenhang mit dem Konsum oder Besitz für den Eigengebrauch. Konsumierende, die zum ersten Mal Heroin konsumiert haben, injizieren nach wie vor weniger.

Obwohl der injizierende Drogenkonsum in den letzten zehn Jahren in Europa zurückgegangen ist, ist er nach wie vor eine der Hauptursachen für drogenbedingte Schädigungen. Ein verbesserter Zugang zu integrierten Test- und Behandlungsmaßnahmen ist ein wichtiger Faktor für das Erreichen der Entwicklungsziele der UN für HIV und HCV. Durch Opioide und andere Drogen bedingte Todesfälle durch Überdosierung machen deutlich, dass Maßnahmen gegen Drogentodesfälle entwickelt bzw. umgesetzt werden müssen. 

Interessierte, die tiefer in die europäischen Daten einsteigen möchten, können sich im neu erschienenen Statistischen Bulletin informieren.

Die Situation speziell für Deutschland wird ausführlich in den Workbooks des aktuellen deutschen Berichts zur Drogensituation (REITOX-Bericht der DBDD) dargestellt (KONTUREN online berichtete am 28.12.2020).

 Pressemitteilung der EU-Drogenbeobachtungsstelle in Lissabon (EMCDDA), 9.6.2021