Er war ein Wegbereiter der deutschen Suchthilfe 

Am 1. Juni 2021 verstarb Ernst Knischewski im Alter von 96 Jahren in Kassel. Er war Diakon und Sozialarbeiter. Seit der Gründung des Gesamtverbandes für Suchthilfe (GVS) im Jahr 1957 war Herr Knischewski bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1990 Geschäftsführer des GVS. Zugleich war er Referent der Hauptgeschäftsstelle des Diakonischen Werkes der EKD in Stuttgart und von 1958 bis 1985 außerdem Geschäftsführer des damaligen Verbandes der Trinkerheilstätten, des heutigen Bundesverbandes für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. (buss).

Dass Sucht als Krankheit mit Beschluss des Bundessozialgerichts in Kassel vom 18.06.1968 anerkannt wurde, war ein bahnbrechender Erfolg in der Suchthilfe und auch einer der größten von Herrn Knischewski, da er mit der Unterstützung von Prof. Dr. jur. Otto E. Krasney wesentlichen Anteil daran trug. Für das laufende sozialgerichtliche Verfahren hatten sie bestehende Urteile und juristische Gutachten gesammelt und damit anhaltende Argumentationshilfe geleistet.

Herr Knischewski erkannte frühzeitig, dass die Suchthilfe sich zusätzlich zur Behandlung von Alkoholismus um spezielle Angebote für die Konsumenten von illegalen Drogen kümmern musste. Bereits in den 1960er und 1970er Jahren beschäftigte er sich intensiv mit Erfahrungen und Möglichkeiten der Suchtbehandlung nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. So besuchte er u. a. Neuseeland, die Fidschi-Inseln, Australien, Südafrika, Norwegen, Schweden und Japan für Austauschgespräche. Er schaffte Schnittstellen und initiierte Vernetzungen. Dass Suchtkrankheit und ihre Behandlung als Themen in die Öffentlichkeit traten, geht auch auf ihn zurück. Im NICOL-Verlag, der beim GVS gegründet wurde, erschienen Fachbücher zur Sucht und Verteil-Materialien. Das fortan über viele Jahre regelmäßig erscheinende Fachorgan PARTNER-Magazin ging an den Start.

Herr Knischewski hatte immer auch die Mitarbeiter*innen in der Suchtbehandlung im Blick. Dass sie Entlastungs- sowie Qualifizierungsmöglichkeiten benötigen, stand für ihn schon früh außer Frage. Der GVS begann daher schon recht bald mit der Entwicklung eines umfangreichen Fort- und Weiterbildungsangebotes für hauptamtlich Mitarbeitende aus der Suchthilfe und führt dies auch heute noch durch.

Auch die Sucht-Selbsthilfe lag Herrn Knischewski am Herzen. In diesem Zusammenhang kreuzten sich unsere Wege am 1. September 1985 anlässlich meiner Einstellung beim GVS. Dort war ich im Dienst des Bundesverbandes der Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe tätig, damals noch Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG). Deren Gründung hatte Herr Knischewski 1978 unterstützt. Es war ihm wichtig, den für die damalige Zeit noch relativ neuen Selbsthilfeansatz in der Suchthilfe zu unterstützen, indem er die Ehrenamtlichen von administrativen Aufgaben entlastete. Die Betroffenenkompetenz sah er als weitere Säule in der Behandlung und Begleitung suchtkranker Menschen und ihrer Angehörigen.

Als mittlerweile langjährige Mitarbeiterin beim Bundesverband der Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe erinnere ich mich mit hoher Achtung und in Verbundenheit an Ernst Knischewski. Stets war es ihm wichtig, Menschen bei der Umsetzung von Zielen mitzunehmen. So wirkte er mit beim Aufbau eines stabilen Fundaments, aus dem sich das heutige differenzierte und spezialisierte Behandlungssystem in der Suchthilfe entwickeln konnte. Ernst Knischewski war eine außergewöhnliche Persönlichkeit – engagiert und empathisch, mit einer hohen Fachlichkeit und geerdet im christlichen Glauben.

Ute Krasnitzky-Rohrbach
Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe
Bundesverband e.V.