Einsamkeit junger Erwachsener

Junge Erwachsene fühlen sich heute einsamer als früher – und das nicht erst seit Corona. Darauf deutet eine Auswertung von Studien zur Einsamkeit junger Erwachsener zwischen 1976 und 2019 hin, die ein Forschungsteam der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena durchgeführt hat. „Ein solcher Anstieg ist ein Warnsignal, da Einsamkeit ein zunehmendes Problem im jungen Erwachsenenalter zu sein scheint“, so Dr. Susanne Bücker vom Lehrstuhl Psychologische Methodenlehre an der Fakultät für Psychologie der RUB.

Den oft verwendeten Begriff „Einsamkeitsepidemie“ bezeichnet das Forschungsteam dennoch als überdramatisierend, da die Effektgröße des Anstiegs relativ klein ist. Die Studie ist veröffentlicht in der Zeitschrift Psychological Bulletin vom Dezember 2021.

Einsamkeit hat viele mögliche Ursachen

Dass Einsamkeit gerade bei jungen Erwachsenen, zu denen Expertinnen und Experten 18- bis 29-Jährige zählen, angestiegen ist, scheint eine wachsende gesellschaftliche Sorge zu sein. Denn tatsächlich haben sich die Lebenserfahrungen junger Erwachsener seit den späten 1970er-Jahren massiv verändert. Zu den gesellschaftlichen Veränderungen, die das bedingen, gehören unter anderem die zunehmende Unbeständigkeit sozialer Beziehungen, größere Mobilitätsmöglichkeiten, eine Verschiebung von Heirat und Familiengründung in spätere Lebensphasen und Veränderungen in der Kommunikation durch technologische Innovationen.

Um herauszufinden, ob sich die durchschnittliche Einsamkeit von jungen Erwachsenen über die Zeit tatsächlich verändert hat, hat das Forschungsteam eine zeitübergreifende Meta-Analyse und ein systematisches Literaturreview durchgeführt. Dabei haben die Autorinnen und Autoren die verfügbaren empirischen Einzelstudien, die Einsamkeit bei jungen Erwachsenen mit der sogenannten UCLA-Einsamkeitsskala im Zeitraum von 1976 bis 2019 erfasst haben, mittels statistischer Methoden zusammengefasst. Diese Skala, benannt nach der University of California, zählt zu den gängigsten Messinstrumenten für Einsamkeit bei Erwachsenen und wird seit 1976 verwendet. Insgesamt umfasst die Meta-Analyse mit 345 Studien und 124.855 jungen Erwachsenen eine sehr große Datenbasis.

Die Meta-Analyse war präregistriert. Das bedeutet, dass die methodische Vorgehensweise für die Literaturrecherche und Datenauswertung vorab von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern veröffentlicht wurde. Zudem wurden die Daten aus der Meta-Analyse der wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Weiternutzung zur Verfügung gestellt. Dieses Vorgehen fördert Transparenz in der Forschung.

Leichter Anstieg ist trotzdem Warnsignal

Über alle Studien hinweg stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fest, dass Einsamkeit bei jungen Erwachsenen von 1976 bis 2019 leicht angestiegen ist. Dieser Anstieg entspricht etwa 0,56 Standardabweichungen auf der UCLA-Einsamkeitsskala über den 43-jährigen Untersuchungszeitraum. „Junge Erwachsene fühlen sich heute also einsamer als früher – aber der Anstieg ist relativ klein“, fasst Susanne Bücker zusammen. „Nichtsdestotrotz sollten junge Erwachsene bei der Gestaltung von Präventions- und Interventionsmaßnahmen gegen Einsamkeit nicht übersehen werden, da Einsamkeit in allen Altersgruppen gravierend negative Konsequenzen hat und eindeutig nicht nur im hohen Lebensalter auftritt.“

Originalpublikation:
Susanne Buecker, Marcus Mund, Sandy Chwastek, Melina Sostmann, Maike Luhmann: Is loneliness in emerging adults increasing over time? A preregistered cross-temporal meta-analysis and systematic review, in: Psychological Bulletin, 2021, DOI: 10.1037/bul0000332, https://psycnet.apa.org/record/2022-09577-002?doi=1

Pressestelle der Ruhr-Universität Bochum, 17.12.2021