Die deQus wird 20!

Hildegard Winkler (Vorsitzende) und Iris Otto (Geschäftsstelle) beim Anschneiden der Jubiläumstorte

„Zertifiziert nach deQus“ – das stand auf der Torte, die jede Mitgliedseinrichtung der Deutschen Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Suchttherapie (deQus) zu ihrer Zertifizierungsfeier überreicht bekam. Zum 20-jährigen Jubiläum schenkte die deQus sich nun selbst eine Torte und teilte sie mit allen Teilnehmenden des Workshops für Qualitätsbeauftragte (QB-Workshop), der am 4. und 5. Februar 2020 in Kassel stattgefunden hat.

Wie in jedem Jahr kamen rund 100 Qualitätsbeauftragte (QBs) aus den Mitgliedseinrichtungen nach Kassel. Schon bei der Gründung der deQus war geplant, außer Schulungsmaßnahmen auch fachliche Unterstützung beim Aufbau und bei der Pflege des Qualitätsmanagement-Systems (QM-System) anzubieten. Daraus entwickelte sich schnell ein jährliches Treffen der QBs, das nicht nur der Fortbildung, sondern auch dem Austausch unter den Kollegen und Kolleginnen dient, die ja meist als Einzelkämpfer in ihren Einrichtungen das Qualitätsmanagement lebendig halten sollen. Und genau das ist nach 20 Jahren immer noch ein schwieriges Unterfangen.

Jubiläum mit Ehrengästen

Vorstand und Ehrengäste: Martin Hoppe, Prof. Dr. Andreas Koch, Claudia Lingelbach-Fischer, Hildegard Winkler, Dr. Martin Beutel, Gero Skowronek, Josef Müller (v.l.n.r.)

Das Jubiläum bot eine gute Gelegenheit, im Tagesgeschäft einmal innezuhalten und die Vergangenheit der deQus zu betrachten, um daraus Hinweise für die Gestaltung der Zukunft zu gewinnen. Dazu waren einige Ehrengäste eingeladen, die mit der Geschichte der deQus eng verbunden sind. Gemeinsam mit dem jetzigen Vorstand reflektierten sie die Entwicklung.

Zunächst erläuterte der Initiator, Dr. Martin Beutel, damals Chefarzt zweier Suchtkliniken und langjähriger Vorstandsvorsitzender des buss, wie er Ende der 1990er Jahre auf die Idee kam, ein QM-System für die buss-Kliniken zu entwickeln: Die gesellschaftliche Situation der 90er Jahre war geprägt durch die Integration Ostdeutschlands und eine hohe Arbeitslosigkeit von zehn Prozent. Die Politik reagierte 1997 mit dem Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) und löste damit eine Reha-Krise aus. Zuzahlungen wurden erhöht, Lohnersatzleistungen reduziert, Reha wurde teilweise auf den Jahresurlaub angerechnet. In der Folge gingen die Reha-Anträge zurück – zwischen 1995 und 1997 um 34 Prozent. Dr. Beutel fragte sich, welche Kliniken wohl am ehesten mit Zuweisungen rechnen könnten. Würden die Ergebnisse des QS Programms der DRV oder würde die Qualität der Einrichtungen eine Rolle spielen? Der Chefarzt setzte darauf, dass ein QM-System mit klar definierten Prozessen und der Fähigkeit zur schnellen Entwicklung neuer Angebote einen Wettbewerbsvorteil erzielen könnte. Also schrieb er einen Projektentwurf für ein QM-System für die Suchttherapie.

Rückblick auf die Geschichte der deQus.

Zu den weiteren Ehrengästen beim QB-Workshop zählten Josef Müller, Prof. Dr. Andreas Koch, Prof. Dr. Edwin Toepler und Claudia Lingelbach-Fischer. Gemeinsam mit Hildegard Winkler, Vorstandsvorsitzende, und Martin Hoppe, Vorstandsmitglied, erzählten Dr. Beutel, Josef Müller und Prof. Koch kurzweilig die Erfolgsgeschichte der deQus aus ihrer Sicht:

Am 20.06.2000 gründete der Vorstand des buss die „Deutsche Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Suchttherapie – deQus“. In den deQus-Vorstand wurden Dr. Martin Beutel, Wolfram Schuler (Geschäftsführer des buss) und Hildegard Winkler gewählt.

Im Oktober 2000 erarbeitete der Vorstand mit Unterstützung von Claudia Lingelbach-Fischer (buss-Geschäftsstelle) in der Nähe von Montpellier das Musterhandbuch der deQus.

Ab Februar 2001 fanden die ersten Qualifizierungsmaßnahmen für Qualitätsbeauftragte statt, die Dr. Beutel zusammen mit Prof. Toepler, Sozial- und Arbeitsmedizinische Akademie (SAMA), konzipiert hatte. Maßgeblich durchgeführt wurden die Kurse von Prof. Koch. 276 QBs wurden seit 2001 geschult, zunächst durch die SAMA, seit 2007 durch die deQus selbst.

Überreichung der ersten Zertifizierungs-Torte durch Hildegard Winkler

Am 13.11.2002 wurde als erste Klinik das St. Marienstift, Neuenkirchen-Vörden, nach deQus zertifiziert. Von ihrem Träger wurden die drei Mitarbeitenden, die sich um das Zertifikat verdient gemacht hatten, mit Reisegutscheinen und entsprechendem Sonderurlaub belohnt. Der damalige QB Josef Müller erinnerte sich in seinem Vortrag an einige Anekdoten aus dieser Pionierzeit und daran, wie lehrreich es war, die internen Audits im Vorfeld im kollegialen Austausch durchzuführen. Ein Kollege aus einer anderen Klinik hatte damals im Marienstift die „Generalprobe“ durchgeführt, und nach der erfolgreichen Zertifizierung war Josef Müller gern gesehener Experte in deQus-Kliniken, die kurz vor dem großen Ereignis „externes Audit“ standen.

Eine wissenschaftliche Untersuchung (Hildegard Winkler, Prof. Dr. Aloys Prinz, Münster) belegte 2009, dass ein zertifiziertes QM-System, so wie Dr. Beutel es vorausgesehen hatte, zu einem Qualitätszuwachs in den Einrichtungen führte, der höher war, als diese zuvor erwartet hatten. Dieser Effekt lässt sich nun nach 20 Jahren QM-Routine jedoch nicht mehr erkennen.

In seinem abschließenden Redebeitrag fasste Dr. Beutel zusammen, dass die Gewinne, die durch Verbesserung der Prozesse entstanden waren, eingestrichen sind und externe Auditoren vor allem gesetzliche Vorgaben prüfen und keine Impulse für das Kerngeschäft, die Behandlung kranker Menschen, geben können. Sein Resümee: Was heute aufgrund der gesetzlichen Anforderungen läuft, ist kein QM mehr.

Abschließend zeigten die drei Vorstandsmitglieder der deQus (Hildegard Winkler, Martin Hoppe und Gero Skowronek) Perspektiven für die Weiterentwicklung des QMs auf. Ihre zentrale These: Qualitätsbeauftragte entwickeln sich zu Qualitätsmanager*innen.

  • Erfahrungen austauschen – Kontakte knüpfen

    Ihre Aufgabe ist die Weiterentwicklung der Qualität der Patientenversorgung bzw. der Betreuung von Klienten/Bewohnern. Hierfür haben sie gemeinsam mit den Fachkräften ein schlankes Prozessmanagement entwickelt, das die Mitarbeitenden unterstützt. Ein Höhepunkt des QM-Jahres ist das interne Audit, in dem die Prozessabläufe überprüft und im Interesse der Beteiligten modifiziert werden.

  • Ihre Aufgabe ist die Beratung des Managements. Hierfür haben sie ein Kennzahlensystem entwickelt, das den Leitungskräften zur Steuerung des Unternehmens dient. Ein Höhepunkt des QM-Jahres ist die datenbasierte Strategieentwicklung im Management-Review.
  • Für ihre Aufgaben sind sie bestmöglich qualifiziert. In der deQus finden sie Unterstützung, damit auch kleine Einrichtungen große Projekte erfolgreich bewältigen können. Ein Höhepunkt des QM-Jahres ist der QB-Workshop, dessen Ziel es ist, im Verbund der Einrichtungen QM so weiterzuentwickeln, dass es vorrangig dem Kerngeschäft der Mitglieder nutzt.

Fachliche Impulse

Entsprechende fachliche Impulse vermittelten die Vorträge und Arbeitsgruppen der Veranstaltung. Dr. Benedikt Sommerhoff (Leiter Innovation, Transformation, Themenmanagement bei der DGQ Frankfurt) und Artur Sawadsky (Personalleiter im Verbund Katholischer Kliniken Düsseldorf) zeigten neue Ansätze auf, Qualitätsmanagement und Führung agiler und damit wirkungsvoller zu gestalten. Der QB-Workshop schloss mit einer Podiumsdiskussion ab, in der Einrichtungsleitungen aus stationären und ambulanten Einrichtungen mit PD Dr. Axel Kobelt-Pönicke (DRV Braunschweig-Hannover) und Prof. Dr. Edwin Toepler (Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Hennef) die Frage diskutierten, welche Kennzahlen den Erfolg der Rehabilitation belegen können. Äußerst relevant ist diese Frage im Hinblick auf die qualitätsorientierte Belegungssteuerung, die derzeit von der Deutschen Rentenversicherung in einer Machbarkeitsstudie untersucht wird.

Auftritt der Theatertruppe aus der Bernhard-Salzmann-Klinik

Gefeiert wurde am Abend des ersten Tages mit einem gemeinsamen Abendessen beim Italiener. Viel Spaß machte die Aufführung einer Realsatire über Vorkommnisse in einer Suchtklinik – vom Einzelgespräch bis zum Audit. Die Theatertruppe aus der Bernhard-Salzmann-Klinik Gütersloh präsentierte mit professioneller Performance ein quietsch-lebendiges Feuerwerk an Ideen.

Text: Hildegard Winkler, Vorstandsvorsitzende deQus