Corona: Kinder in Hessen

Die Pandemie hat auch in Hessen massive Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung von Minderjährigen. Die Corona-Delle macht sich im Bereich der behandelten psychischen Erkrankungen im ersten Halbjahr 2020 besonders bemerkbar. Mit einem Rückgang von 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahr sind die Behandlungszahlen in Hessen stärker zurück gegangen als im Bundesdurchschnitt (minus 12 Prozent). Der Lockdown im März und April 2020 sorgte zudem für einen starken Einbruch von Krankenhausbehandlungen und Operationen bei Kindern und Jugendlichen. So fiel mehr als jede dritte Kinder-Operation aus (Rückgang 39 Prozent). Das zeigt eine aktuelle und repräsentative Sonderanalyse der DAK-Gesundheit, die die Universität Bielefeld erstellt hat. Gründe für die Corona-Delle waren verschobene Behandlungen durch die Krankenhäuser und weniger Klinikbesuche aus Angst der Eltern vor Ansteckungen. Die stärksten Rückgänge gab es bei Infektionen, Krankheiten der Atemwege und des Verdauungssystems. Durch die Entwicklung erwarten Mediziner jetzt einen Anstieg von schweren Verläufen bei chronischen Erkrankungen von Kindern. Sötkin Geitner, Landeschefin der DAK-Gesundheit in Hessen, sieht ein „deutliches Warnsignal“.

Im Rahmen der DAK-Sonderanalyse untersuchte die Universität Bielefeld die anonymisierten Krankenhausdaten von mehr als 85.000 Kindern und Jugendlichen aus Hessen im Alter von null bis 17 Jahren, die bei der DAK- Gesundheit versichert sind. Untersucht und verglichen wurden die ersten Halbjahre 2019 und 2020. Kernergebnisse: Im ersten Halbjahr 2020 gab es fast ein Fünftel weniger behandelte psychische Erkrankungen (minus 19 Prozent). Der Lockdown im März und April 2020 sorgte zudem für einen Rückgang von Krankenhausbehandlungen (minus 38 Prozent) und Operationen (minus 39 Prozent) bei Minderjährigen. Dieser Effekt betraf alle Altersgruppen. Liegt der Rückgang der Erkrankungsfälle und Operationen während des Lockdowns unterhalb des Bundesdurchschnittes, wurde in Hessen ein überdurchschnittlich hoher Rückgang der Behandlungsfälle mit psychischen Erkrankungen beobachtet.

Psychische Erkrankungen müssen zeitnah behandelt werden

„Auf den ersten Blick wirkt der Rückgang der Behandlungen von psychischen Erkrankungen in Hessen wie eine erfreuliche Nachricht“, so Sötkin Geitner, hessische Landeschefin der DAK-Gesundheit. „Auf den zweiten Blick wird jedoch klar: Weniger Behandlungen psychischer Erkrankungen bedeutet nicht automatisch, dass es im Frühjahrs-Lockdown weniger psychische Leiden hessischer Kinder gab. Es drängt sich vielmehr die Vermutung auf, dass viele psychische Leiden von Kindern im Frühjahrs-Lockdown einfach nicht behandelt wurden. Psychische Erkrankungen sind ernst zu nehmen und das Versäumen von ärztlicher Behandlung kann weitreichende Folgen haben. Eltern sollten hier nicht nachlässig sein und womöglich aus Angst vor einer Ansteckung notwendige Behandlungen verschieben. Die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen hat einen hohen Stellenwert. Unser Gesundheitssystem muss Eltern und Kindern in Hessen Sicherheit geben, damit sie sich vertrauensvoll versorgen lassen können.“

Kindermediziner erleben mehr schwere Krankheitsverläufe

Experten weisen darauf hin, dass im Frühjahrs-Lockdown in den Krankenhäusern viele nicht dringende stationäre und ambulante Behandlungen drastisch oder vollständig eingestellt wurden. Aus Angst vor Ansteckung wurden aber auch viele notwendige Untersuchungen nicht oder sehr spät durch die Eltern und Sorgeberechtigten veranlasst. Dies hatte zur Folge, dass in den Krankenhäusern vermehrt schwere und komplizierte Verläufe bei chronischen Erkrankungen, wie Diabetes melllitus, oder auch schwerwiegenden Neuerkrankungen beobachtet wurden.

„Unbestritten ist, dass der Lockdown und die Corona-Pandemie deutliche negative Folgen für die Psyche und körperliche Gesundheit der Kinder und Jugendlichen haben werden“, sagt Geitner. „Vor allem die Zunahme von schweren Verläufen bei chronischen Krankheiten ist ein deutliches Warnsignal. In der aktuellen Corona-Diskussion in Hessen spielt die Kinder- und Jugendgesundheit eine zu geringe Rolle. Das müssen wir ändern, um langfristige Folgeschäden zu vermeiden.“

Fast halb so viele Einweisungen mit Infektionskrankheiten

Bei den Kindern und Jugendlichen, die während des ersten Halbjahres 2020 stationär versorgt wurden, ging vor allem die Zahl der Infektionskrankheiten (minus 46 Prozent) und Atemwegserkrankungen (minus 26 Prozent) zurück. Ursache waren laut Analyse der Universität Bielefeld die Kontaktbeschränkungen für Kinder und Jugendliche, wodurch es zu weniger Ansteckungen kam. So wurden beispielsweise 58 Prozent weniger Fälle mit virusbedingten Darminfektionen behandelt. Mit halb so vielen stationären Behandlungen wie noch im Vorjahr waren auch akute Mandelentzündungen (minus 50 Prozent) und Magen-Darm-Entzündungen (minus 49 Prozent) stark rückläufig. Bei ernsthaften Diagnosen wie Krebserkrankungen gab es keinen Rückgang.

Normalisierung acht Wochen nach Lockdown

Laut DAK-Sonderanalyse war die Versorgungssituation der Kinder und Jugendlichen in hessischen Krankenhäusern acht Wochen nach dem Lockdown wieder mit dem Vorjahr vergleichbar. Dabei gab es jedoch je nach Erkrankungsart Unterschiede. So wurden Atemwegs- und Infektionserkrankungen – vermutlich aufgrund der anhaltenden Kontaktreduzierungen – auch Ende Juni noch deutlich seltener als im Vorjahr im Krankenhaus behandelt. Die Universität Bielefeld sah in den vorliegenden Daten des ersten Halbjahrs noch keinen Nachholeffekt, rechnet aber damit für das zweite Halbjahr 2020.

Die DAK-Gesundheit ist mit 5,6 Millionen Versicherten die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands und engagiert sich besonders für Kinder- und Jugendgesundheit.

Pressestelle der DAK-Gesundheit, 15.2.2021