Traumafokussierte Therapie ist wirksam
Bei Kindern und Jugendlichen, die mehrfache traumatische Ereignisse wie sexuellen Missbrauch, körperliche Misshandlungen oder psychische Gewalterfahrungen erlitten haben, ist die psychotherapeutische Behandlung mit einer traumafokussierten Therapie sehr wirksam. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsteam um Prof. Dr. Nexhmedin Morina und Dr. Thole Hoppen von der Arbeitseinheit Klinische Psychologie und Psychotherapie der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „British Journal of Psychiatry“ erschienen.
Infolge einer Traumatisierung entwickeln etwa 25 Prozent der betroffenen Kinder und Jugendlichen eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Insbesondere zwischenmenschliche und wiederholte Traumatisierungen bergen ein hohes PTBS-Risiko. Zu den Traumatisierungen zählen neben Gewalterfahrungen auch Erfahrungen körperlicher beziehungsweise emotionaler Vernachlässigung in der Kindheit. Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sind zwei aktuelle Beispiele für die gesellschaftliche Relevanz. „Die PTBS ist eine schwere, meist chronisch verlaufende psychische Erkrankung, die die Lebensqualität der Betroffenen im Alltag stark einschränkt“, erklärt Erstautor Thole Hoppen, der die Studie mit Psychologinnen und Psychologen der Universitäten von East Anglia in England und Oslo in Norwegen erstellt hat.
Bislang bestehen in der klinischen Praxis große Vorbehalte, mehrfach traumatisierte Kinder und Jugendliche, die unter einer PTBS leiden, mit einer traumafokussierten Psychotherapie zu behandeln. Bei der Therapieform geht es darum, Denk- und Verhaltensmuster der Patient:innen, die durch das Trauma entstanden sind, zu verändern. Ziel ist es, durch eine von einem Therapeuten/ einer Therapeutin begleitete Konfrontation mit dem traumatischen Erlebten die Erinnerungen und deren Konsequenzen zu verarbeiten. „Es wird vielerorts argumentiert, dass die Therapie überfordernd, wenig vielversprechend, unangemessen oder gar gefährlich sei“, so Thole Hoppen. „Mit unserer Analyse belegen wir das Gegenteil.“
In einer sogenannten Metaanalyse haben die Forscher die Ergebnisse aller bislang publizierten Psychotherapiestudien zum Thema PTBS bei Kindern und Jugendlichen ausgewertet. Dabei wird erstmals in einer Metaanalyse zwischen einzelnen und multiplen Traumatisierungen von Kindern und Jugendlichen unterschieden. „Nicht nur nach singulärer Traumatisierung ist die Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen mit PTBS sehr wirksam“, erläutert Thole Hoppen. „Wir zeigen, dass dies auch nach einer multiplen Traumatisierung der Fall ist.“ Die Studienergebnisse sind sowohl für die ambulante Psychotherapie als auch für die stationäre Behandlung in Psychiatrien sowie für die Ausbildung von Psychotherapeut:innen von Bedeutung.
Originalpublikation:
Thole H. Hoppen, Richard Meiser-Stedman, Tine K. Jensen, Marianne Skogbrott Birkeland and Nexhmedin Morina (2023): The efficacy of psychological interventions for PTSD in children and adolescents exposed to single vs. multiple traumas. Meta-analysis of randomized controlled trials. British Journal of Psychiatry; DOI: 10.1192/bjp.2023.24
Pressestelle der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, 1.3.2023