Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit Studierender

Die COVID-19-Pandemie führte aufgrund der Maßnahmen zu ihrer Eindämmung zu empfindlichen Einschnitten in der Lebensführung der meisten Menschen. Die Beschränkung der Sozialkontakte und des Freizeitverhaltens, die vergleichsweise starke Begrenzung auf den häuslichen Bereich durch z. B. virtuellen Unterricht oder Homeoffice sowie die allgemeine Bedrohungslage und die damit verbundene subjektive Unsicherheit wurden zuletzt immer wieder als Nährboden für die Entwicklung psychischer Probleme diskutiert (z. B. Bilke-Hentsch et al., 2020). Speziell hinsichtlich des vergleichsweise neuen Phänomens der so genannten Internetnutzungsstörungen erscheint es denkbar, dass die lang andauernde pandemische Lage insbesondere unter vulnerablen Gruppen zu einer Zunahme von Betroffenen geführt hat. Erste Studienbefunde aus dem deutschen Sprachraum zeigen, dass unter Jugendlichen zumindest die tägliche Nutzung verschiedener Onlineangebote in der Freizeit (u. a. Online-Computerspiele, soziale Netzwerke) zuletzt deutlich angestiegen ist (Paschke et al., 2021).

Auch Studierende gelten im Zusammenhang mit Internetnutzungsstörungen als vulnerable Gruppe, und auch sie waren in ihrer Lebensführung durch die Pandemie in besonderem Maße betroffen. Um die Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit Studierender zu untersuchen, führte eine interdisziplinäre Forschergruppe der Universität Mainz und der Universitätsmedizin Mainz eine fragebogenbasierte Kohortenstudie an etwa 3.000 Studierenden der hiesigen Universität durch. Die Daten der ersten Kohorte wurden kurz vor Ausbruch der Pandemie erhoben, jene der zweiten Kohorte während der Pandemie. Die Studienergebnisse weisen auf einen dramatischen Anstieg der Prävalenz von Internetnutzungsstörungen hin (3,9 Prozent vor vs. 7,8 Prozent während der Pandemie). Ebenso zeigen sich starke Zunahmen bei weiteren psychischen Symptombelastungen wie etwa Depressivität und Angstsymptome. Diese ersten Studienergebnisse deuten darauf hin, dass die pandemische Lage unter jungen Erwachsenen zu einer spürbaren Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit geführt und insbesondere das Auftreten von Internetnutzungsstörungen begünstigt hat. Die weiterführenden Inhalte der Studie werden im November in der Zeitschrift Suchttherapie veröffentlicht.

Zwar ist aus den Studienergebnissen nicht zu ersehen, in welchem Ausmaß die psychischen Belastungen von anhaltender Natur sind, jedoch erscheint es sinnvoll, bereits jetzt spezifische Beratungsprogramme für Studierende zu implementieren und ganz grundsätzlich dem Thema Internetnutzungsstörungen verstärkt Aufmerksamkeit zu schenken.

Online-Vortragsreihe „1. Woche der Medienabhängigkeit“

Auch vor diesem Hintergrund veranstaltet der Fachverband Medienabhängigkeit in der Woche vom 8.–12.11.2021 die „1. Woche der Medienabhängigkeit“ als Online-Vortragsreihe. In den Beiträgen beleuchten anerkannte nationale und internationale Expertinnen und Experten verschiedene Aspekte von Internetnutzungsstörungen, wobei Prävention und neue Behandlungsansätze im Vordergrund stehen.

Eine Anmeldung zu der Veranstaltung ist bis einschließlich 3.11.2021 möglich unter https://www.fv-medienabhaengigkeit.de/veranstaltungen/1-woche-der-medienabhaengigkeit/

Dr. Kai W. Müller, Grüsser Sinopoli-Ambulanz für Spielsucht, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 21.10.2021

Literatur:

  • Bilke-Hentsch, O., Bachmann, S., Batra, A., Conca, A., Funk, L., Gremaud, F., Jenewein, J., Hentsch, S., Klein, M. Michel, G., Müller, K.W., Müller-Knapp, U., Pezzoli, V., Preuss, U., Rexroth, C., Sevecke, K., Thun-Hohenstein, L., Walter, M., Weber, P., Wladika, W. & Jud, A. (2020). Gibt es ein „Post-corona-Adaptations-Syndrom“? Sollte es „post-Corona“-Interventionen geben? Entwicklungspsychiatrische Überlegungen. Leading Opinions Psychiatrie & Neurologie, 3/4, 6-11
  • Paschke, K., Austermann, M. I., Simon-Kutscher, K., & Thomasius, R. (2021). Adolescent gaming and social media usage before and during the COVID-19 pandemic. 67, 13-22.