Große US-amerikanische Studie zur Lungengesundheit bei Rauchern
Deutlich mehr Raucher als bisher angenommen – rund 80 anstatt der mit gängigen Diagnosetests ermittelten ca. 50 Prozent – entwickeln eine so genannte chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), die mit fortschreitenden Lungenschäden einhergeht. Das ist das Ergebnis einer Studie der führenden US-amerikanischen Lungenfachklinik National Jewish Health mit mehr als 8.800 Rauchern, an der auch ein Radiologe des Universitätsklinikums Heidelberg beteiligt war. Prof. Dr. Hans-Ulrich Kauczor, Ärztlicher Direktor der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, wertete computertomographische Aufnahmen der Studienteilnehmer aus. Selbst bei Rauchern, deren Lungenfunktionstest unauffällig ausfiel und die daher als gesund eingestuft wurden, fand der Experte Gewebeschäden. Professor Kauczor hat sich auf die Weiterentwicklung der Lungenbildgebung spezialisiert und leitet die „Imaging-Plattform“ am Deutschen Zentrum für Lungenforschung. Die Studie ist nun im renommierten Fachjournal JAMA Internal Medicine erschienen.
An einer COPD leiden in Deutschland rund acht Millionen Menschen, jedes Jahr sterben über 100.000 an den Folgen des schleichenden Lungenversagens. „Die COPD ist eine – jedenfalls hierzulande – größtenteils vermeidbare Erkrankung“, betont der Lungenexperte Professor Dr. Felix Herth, Chefarzt der Abteilung Pneumologie und Beatmungsmedizin der Thoraxklinik am Universitätsklinikum Heidelberg. „Rund 90 Prozent der Betroffenen sind oder waren Raucher.“ Häufig leidet die Lunge lange unbemerkt, Symptome wie Kurzatmigkeit oder morgendlicher Husten werden oftmals nicht ernst genommen. Hat sich das Lungengewebe aber erst einmal krankhaft verändert, kann dies nicht mehr rückgängig gemacht werden. Je früher die Therapie einsetzt, desto besser können weitere Schäden hinausgezögert werden. Eine Heilung ist nicht möglich.
Zur Diagnose einer COPD wird in der Regel ein Lungenfunktionstest, die Spirometrie, herangezogen. Dabei wird u. a. gemessen, wie viel Luft die Patienten einatmen und in einer Sekunde ausatmen können. Dass damit die Folgen langjährigen Rauchens auf die Lunge bisher gravierend unterschätzt wurden, hat die Studie des National Jewish Health nun eindrucksvoll belegt.
Die Wissenschaftler um Professor Dr. James Crapo und Dr. Elisabeth Regan vom National Jewish Health in Denver untersuchten 8.872 aktive und ehemalige Raucher im Alter zwischen 45 und 80 Jahren. Alle hatten mindestens zehn Jahre lang mindestens eine Packung Zigaretten pro Tag (zehn Packungsjahre), die meisten deutlich mehr geraucht. Bei rund der Hälfte der Teilnehmer fanden sich beim Lungenfunktionstest keine Anzeichen einer COPD. Ihre Lungen wurden als gesund eingestuft.
Zusätzliche Untersuchungen zeichneten allerdings ein anderes Bild: Bei 42 Prozent der zuvor als gesund eingestuften Teilnehmer zeigten CT-Untersuchungen Veränderungen der Atemwege oder aufgeblähte Lungenabschnitte (Emphysem). 23 Prozent litten unter Atemnot, 15 Prozent schafften beim Gehtest weniger als 350 Meter in sechs Minuten. In einem Fragebogen überschritt ein Viertel von ihnen einen Wert, der eine klinisch relevante Einschränkung der Lebensqualität markiert. Insgesamt war bei mehr als der Hälfte (55 Prozent) die Lungengesundheit in irgendeiner Form beeinträchtigt. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass dies frühe Anzeichen einer COPD sind.
Was das für die Lunge bedeutet, erklärt Professor Herth: „Bei Einschränkungen im Lungenfunktionstest gehen wir davon aus, dass bereits ein Viertel des Lungengewebes zerstört ist. Bis dahin ist viel Raum für erhebliche Schäden, die Betroffene nicht bewusst wahrnehmen oder wahrnehmen wollen. Hier gilt es, durch entsprechende Beratung zu sensibilisieren.“ Außerdem sollte bei Rauchern die Therapie der COPD, z.B. in Form von Sprays zum Inhalieren, bei entsprechenden Beschwerden schon früher als bisher einsetzen, auch wenn der Lungenfunktionstest noch keinen Anlass zur Sorge gibt. „Voraussetzung ist allerdings, dass der Patient das Rauchen aufgibt, sonst hat die Behandlung ohnehin keinen Erfolg“, so der Lungenspezialist.
Pressestelle des Universitätsklinikums Heidelberg, 08.07.2015