Ambitioniert, erreichbar, selbstgesteckt

Um die Produktivität ihrer Mitarbeiter zu steigern, bauen viele Unternehmen auf finanzielle Anreize, meist in Form von leistungsabhängiger Entlohnung. Doch es muss gar nicht immer zusätzliches Geld fließen: Schon das Setzen geeigneter Ziele – sei es durch den Chef oder den Arbeitnehmer selbst – kann den gewünschten Motivationsschub bringen. Darauf weist ein aktueller Fachartikel von Sebastian J. Goerg hin, der für die Online-Plattform „IZA World of Labor“ des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) den internationalen Forschungsstand zum Thema zusammengefasst hat. Der Ökonom von der Florida State University warnt allerdings auch: Falsch gesteckte Ziele können kontraproduktiv wirken.

Ziele sind ein fester Bestandteil vieler Lebensbereiche. Private Ziele sind beispielsweise, Geld zu sparen oder überflüssige Pfunde loszuwerden. Im Arbeitsleben sind wir mit Verkaufs-, Projekt- oder Gewinnzielen konfrontiert. Die psychologische Forschung beschäftigt sich seit langem mit der Frage, wie gesetzte Ziele das menschliche Verhalten beeinflussen und somit die Produktivität steigern können. Mittlerweile haben auch Ökonomen Ziele als Forschungsthema entdeckt und dazu theoretische Modelle entwickelt sowie deren Praxistauglichkeit in Organisationen untersucht. Vor allem Unternehmen der „New Economy“ wie Google, Intel und Twitter nutzen Ziele unter anderem, um Mitarbeitern in Echtzeit Feedback geben zu können. Denn das menschliche Streben nach der Erreichung persönlicher Ziele zählt – neben finanziellen Anreizen – zu den wichtigsten Faktoren der Mitarbeitermotivation. Um den Produktivitätseffekt von individuellen Zielen in der Praxis zu untersuchen, hat Sebastian J. Goerg gemeinsam mit IZA-Fellow Sebastian Kube von der Universität Bonn einen Feldversuch durchgeführt. In der Bibliothek des Max-Planck-Instituts in Bonn ließen sie Hilfskräfte (die nicht wussten, dass sie Teil eines Experiments sind) rund 35.000 Bücher umräumen. Arbeiteten die Probanden auf ein konkretes Ziel hin, waren sie im Schnitt um 15 Prozent produktiver als eine Vergleichsgruppe ohne Zielvorgabe. Auch bei selbstgesteckten Zielen und ohne Aussicht auf eine Bonuszahlung für eine erreichte Zielvorgabe konnten die Forscher eine deutliche Mehrleistung beobachten.

Zu hoch oder falsch gesetzte Ziele können sich jedoch auch negativ auf die Arbeitsleistung auswirken. Dann besteht die Gefahr, dass andere Aufgaben aus dem Blickfeld geraten, dass die Teamarbeit leidet oder der Arbeitnehmer gar zu ‚Tricksereien‘ verleitet wird. Dem könnte zwar vorgebeugt werden, indem der Chef dem Mitarbeiter genauer auf die Finger schaut. Doch zu starke Kontrolle wird als Misstrauen empfunden und wirkt wiederum als Motivationskiller. Besonders in komplexen Arbeitsumgebungen müssen Ziele sorgfältig gewählt und an die jeweilige Arbeitssituation angepasst werden. Goerg rät daher, die Ziele nach dem „SMART“-Prinzip zu setzen: spezifisch (präzise definiert), messbar (z. B. in Euro), akzeptiert (vom Mitarbeiter anerkannt), realistisch (erreichbar) und terminiert (mit konkreter Frist). Darüber hinaus sei es sinnvoll, individuelle Ziele in die Unternehmensstrategie einzubetten und den Mitarbeitern klar zu kommunizieren, welche Rolle sie für das Erreichen der Unternehmensziele spielen. Werden die Ziele so vermittelt, dass sie ambitioniert und doch erreichbar erscheinen, ohne dabei den Arbeitsfokus zu stark einzuengen, können sie Produktivität und Mitarbeiterzufriedenheit gleichermaßen beflügeln.

Der englischsprachige Artikel zum Download: Sebastian J. Goerg: Goal setting and worker motivation. IZA World of Labor 2015: 178. DOI: 10.15185/izawol.178, http://wol.iza.org/articles/goal-setting-and-worker-motivation

Pressemeldung des Instituts zur Zukunft der Arbeit, 27.08.2015