Neue Alkoholstudie

Die Sterblichkeit von Patienten mit Alkoholabhängigkeit in Allgemeinkrankenhäusern ist um ein Vielfaches höher als bei Behandelten ohne Alkoholabhängigkeit. Außerdem sterben sie im Schnitt rund 7,6 Jahre früher als Krankenhauspatienten ohne einen solchen Suchthintergrund. Das haben Wissenschaftler der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn mit britischen Kollegen anhand von Patientendaten mehrerer Allgemeinkrankenhäuser in Manchester (England) herausgefunden. Die Forscher fordern eine frühere und intensivere psychotherapeutische Begleitung von Alkoholkranken. Die Studie ist nun im Journal „European Psychiatry“ veröffentlicht.

„Mit der Alkoholsucht sind sowohl psychische Probleme als auch erhebliche körperliche Beeinträchtigungen der Gesundheit verbunden“, sagt Dr. Dieter Schoepf von der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn. „Im Schnitt sterben Alkoholiker, die wegen gesundheitlicher Probleme in britischen Allgemeinkrankenhäusern behandelt wurden, aufgrund des Zusammenwirkens mehrerer körperlicher Begleiterkrankungen 7,6 Jahre früher als Patienten ohne Alkoholsucht“, berichtet der Wissenschaftler. Für die Studie werteten Dr. Schoepf und Prof. Dr. Reinhard Heun vom Royal Derby Hospital in England Patientendaten von sieben Allgemeinkrankenhäusern in Manchester aus. Es handelt sich dabei um eine Langzeitbeobachtung: Die Daten erstrecken sich über einen Zeitraum von 12,5 Jahren. Mit ihrer Hilfe analysierten die Wissenschaftler die körperlichen Begleiterkrankungen von 23.371 Krankenhauspatienten mit Alkoholsucht und verglichen sie mit einer Kontrollgruppe aus zufällig ausgewählten 233.710 Behandelten ohne Alkoholismus. „Im Beobachtungszeitraum starb etwa jeder fünfte Krankenhauspatient mit Alkoholsucht in einem der Krankenhäuser, während es bei der Kontrollgruppe nur jeder zwölfte Patient war“, fasst Prof. Heun das Ergebnis zusammen.

Insgesamt 27 körperliche Krankheiten traten gehäuft bei Patienten mit Alkoholsucht auf: etwa der Leber, der Bauchspeicheldrüse, der Atemwege, des Magen-Darm-Traktes und des Nervensystems. Im Gegensatz dazu waren etwa Herzinfarkte, Herzkreislauferkrankungen und Grauer Star bei den Patienten mit Alkoholismus weniger häufig als bei der Kontrollgruppe. „Patienten mit Suchtproblemen werden oft als Notfälle in Kliniken eingeliefert. Bei der Diagnose stehen dann die akuten Symptome im Vordergrund – das führt möglicherweise dazu, dass nicht alle körperlichen Erkrankungen erfasst werden“, vermutet Dr. Schoepf. Auch ein geringeres Schmerzempfinden und Wahrnehmungsstörungen der Suchtkranken könnten dazu führen, dass bestimmte Krankheitsbilder von den Ärzten nicht erkannt werden.

Die Studie sei in dieser Form einzigartig, betonen die Wissenschaftler. Die große Zahl erfasster Patienten und die umfangreiche Kontrollgruppe erlaubten eine sehr differenzierte Auswertung. Der für solche Untersuchungen ungewöhnlich lange Beobachtungszeitraum ermögliche darüber hinaus, auch Krankheiten zu erfassen, die nur allmählich Beschwerden machen. Dass die Untersuchung ausgerechnet mit Daten aus Großbritannien durchgeführt wurde, hängt mit dem leichteren Zugang zu den notwendigen Informationen in England zusammen. „Die Ergebnisse beziehen sich zwar auf Allgemeinkrankenhäuser in Manchester, sie sind aber aufgrund der großen Stichproben repräsentativ und lassen sich deshalb auf andere Allgemeinkrankenhäuser in anderen Ländern verallgemeinern“, sagt Dr. Schoepf. Aus Sicht der Wissenschaftler verdeutlicht die erhöhte Sterblichkeit der Patienten mit Alkoholismus in Allgemeinkrankenhäusern, dass die Sucht als Ursache der vielfältigen körperlichen Folgen in einem deutlich früheren Stadium therapiert werden muss. „Durch gewissenhaftes Screening und die frühzeitige Behandlung von psychischen und körperlichen Begleiterkrankungen sollte es möglich werden, die Lebenserwartung von Alkoholkranken deutlich zu erhöhen“, sagt Prof. Heun.

Pressestelle der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 02.04.2015