Alkohol und Drogen als Thema in der Erziehung

Im März 2022 ist das Buch „Alkohol und Drogen in der Familie. Präventionswissen für Eltern und pädagogische Fachkräfte“ von Regina Kostrzewa im Kohlhammer Verlag erschienen. Der Titel wurde bereits auf KONTUREN online in der Rubrik „Neue Bücher“ vorgestellt. Eine ausführliche Besprechung hat nun Tina Wohlfarth von der Thüringer Fachstelle Suchtprävention verfasst. Sie hebt die gut nachvollziehbare Darstellung des Einflusses von erzieherischem Handeln auf die Suchtprävention hervor.

Wann ist der richtige Zeitpunkt in der Erziehung eines Kindes, den Grundstein für die Suchtprävention zu legen? Was ist für eine Familie im Umgang mit dem Thema Alkohol und Drogen wesentlich? Eltern sind die wichtigsten Bezugspersonen für ihre Kinder und die Ersten, die ihnen Kompetenzen vermitteln und Orientierung geben. Wie Eltern diese Aufgaben meistern können, beschreibt Regina Kostrzewa anhand theoretischer Grundlagen und ihrer beruflichen sowie persönlichen Erfahrungen. Die vorgestellten Herangehensweisen unterlegt sie mit Interviews betroffener Personen.

Zu Beginn des Buches erfolgt eine Einordnung der Begrifflichkeiten und eine Beschreibung des Spannungsverhältnisses, in dem sich Eltern aufgrund ihrer Verantwortung gegenüber dem Substanzgebrauch der Kinder befinden. Es werden verschiedene Faktoren hinsichtlich ihrer Wirkung auf Konsumentscheidungen betrachtet und mit den Grenzen des persönlichen elterlichen Einflusses ins Verhältnis gesetzt. Die Kernaussage lautet: Eltern können eine Menge tun, aber sie sind nicht für alles allein verantwortlich.

Die Bedeutung einer guten Eltern-Kind-Beziehung

Der Fokus in den ersten Kapiteln liegt ganz bewusst nicht auf konkreten Substanzen oder Suchtfragen. Viel mehr wird die Bedeutung einer guten Eltern-Kind-Beziehung herausgestellt. Anhand verschiedener Modelle und Theorien werden Bezüge zwischen dem elterlichen Verhalten und der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes aufgebaut, und es werden Schutz- und Risikofaktoren dargelegt, denen Eltern im Alltag begegnen. Die Autorin stellt dar, wie Kinder durch entsprechende Erziehung Persönlichkeitsmerkmale entwickeln können, die ihnen helfen, später gesunde und risikokompetente Entscheidungen zu treffen. Dabei stehen besonders die Konfliktlösekompetenzen im Vordergrund. Der autoritative Erziehungsstil wird durch sein günstiges Verhältnis aus positiven Bindungserfahrungen und Förderung der kindlichen Entscheidungskompetenz als vorteilhaft eingeordnet.

Anhand sozialer Lerntheorien erklärt die Autorin, dass Eltern nicht in erster Linie gute Vorbilder sein müssen, sondern dass eine wertschätzende, altersgerechte und transparente Kommunikation entscheidend für die Kompetenzentwicklung bei Kindern ist. Als Beispiel dient der elterliche Tabakkonsum. Kostrzewa schreibt, dass eine kritische Reflexion des eigenen Verhaltens wichtig ist, damit Kinder erkennen, dass der Gebrauch einer Substanz nicht automatisch bedeutet, dass die Person mit dem eigenen Handeln auch zufrieden ist. Eltern dürfen und sollen innere Konflikte thematisieren, um Kindern die Vielschichtigkeit von Konsumentscheidungen zu veranschaulichen.

Konsumkompetenz und das Erlernen von Genuss statt Rausch

Mit der Betrachtung der gesellschaftlichen Rolle des Alkohols und des elterlichen Konsumverhaltens zeigt Kostrzewa, dass das Ziel nicht vollständige Abstinenz sein muss, sondern der kompetente Umgang mit Alkohol. Das Buch verdeutlicht, wie Konsumkompetenz und das Erlernen von Genuss statt Rausch Kinder auf die Herausforderungen im Jugend- und Erwachsenenalter vorbereiten können. Dabei werden auch biologische und neuronale Grundlagen erläutert. Die Devise lautet: Je später Jugendliche mit dem Konsum einer Substanz beginnen, desto besser für den gesamten Entwicklungsprozess.

Als große Herausforderungen für Eltern gelten der Ablöseprozess und der Übergang der Kinder zu jungen Erwachsenen. Der potenzielle Einfluss eines gelingenden Ablöseprozesses auf die Suchtprävention wird verständlich dargestellt. Wie Eltern mit dem Spannungsverhältnis zwischen ihrem Bedürfnis, das Kind zu schützen, und dem Autonomiebedürfnis des Kindes umgehen, ist sehr treffend mit dem Wortspiel „Loslassen statt Fallenlassen“ ausgedrückt und wird durch eine Übung greifbar gemacht.

Die letzten Kapitel des Buches beschäftigen sich mit der Rolle der Angehörigen im Umgang mit einer Suchterkrankung in der Familie. Die Autorin thematisiert, wie unterschiedlich Familienmitglieder agieren und reagieren, besonders wenn Kinder im Spiel sind. Die Gruppe der Kinder aus suchtbelasteten Familien steht hier im Zentrum. Pädagogische Fachkräfte erhalten Ideen, wie sie mit betroffenen Kindern umgehen und sie fördern können.

Jedes Kapitel ist mit alltagsnahen Beispielen und Übungen bestückt, die die Inhalte lebendig und anwendbar machen. Besonders im letzten Teil werden noch einmal praktische Empfehlungen zusammengefasst.

Fazit

Das Buch ist an eine breite Zielgruppe gerichtet. Hierfür hat die Autorin einen wunderbaren Weg gefunden. Eltern und Fachkräfte aus Pädagogik, Suchthilfe und Prävention sowie weitere Interessierte können Zusammenhänge zwischen erzieherischem Handeln und Suchtprävention alltagsnah nachvollziehen. Verständlich wird gezeigt, welchen Einfluss Erziehungsstile und Kommunikationstechniken auf die Persönlichkeitsentwicklung sowie die Stärkung der Selbstwirksamkeit bei Kindern und Heranwachsenden haben. Anhand theoretischer Grundlagen und alltagspraktischer Beispiele wird beschrieben, wie sich diese Techniken potenziell auf ein späteres Konsum- und Entscheidungsverhalten der Kinder auswirken.

Kostrzewa lässt die Leser:innen an den Erkenntnissen aus ihrer jahrelangen Berufspraxis teilhaben. Persönliche Erfahrungen sind immer klar gekennzeichnet. Mit gut evaluierten Programmen für Fachkräfte und hilfreichen Anregungen für Eltern – z. B. die Familienregeln oder die Verzichtübung – bietet das Buch einen sehr guten Überblick über den aktuellen Stand der Prävention.

Zur Autorin

Prof. Dr. Regina Kostrzewa widmet sich seit mehr als 30 Jahren in ihrer Arbeit und Lehre der Suchtprävention. Sie arbeitete 25 Jahre in leitender Position in der Suchthilfe und promovierte zum Thema Alkoholprävention bei Jugendlichen.

Bibliografische Angaben:
Regina Kostrzewa
Alkohol und Drogen in der Familie
Präventionswissen für Eltern und pädagogische Fachkräfte
Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2022, 248 Seiten, 34,00 €, ISBN 978-3-17-037659-5, auch als E-Book erhältlich

Rezension: Tina Wohlfarth, Thüringer Fachstelle Suchtprävention, August 2022