Verabschiedung von Dr. Martin Beutel

Dr. Martin Beutel, scheidender Vorsitzender des buss, und seine Nachfolgerin Dr. Wibke Voigt in der Mitgliederversammlung 2015 in Berlin

Dr. Martin Beutel, scheidender Vorsitzender des buss, und seine Nachfolgerin Dr. Wibke Voigt in der Mitgliederversammlung 2015 in Berlin

„Allein unter älteren Herren“ – so fühlte sich Dr. Martin Beutel, als er 1986 mit Anfang dreißig seine erste buss-Jahrestagung besuchte. Es folgten knapp 30 Jahre Verbandsarbeit im Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe (buss), davon 18 Jahre als Vorsitzender. Im März verabschiedete sich Dr. Martin Beutel aus Altersgründen aus seinem Amt. „Lieber Entwicklungen mitgestalten als passiv abwarten“, das war seine Devise und seine persönliche Motivation. Dementsprechend hat er die positive Entwicklung des Verbandes maßgeblich bestimmt und sich mit strategischem Weitblick für Weiterentwicklungen im Suchthilfesystem eingesetzt.

Ein Blick zurück

In seiner Abschiedsrede in der Mitgliederversammlung des buss ließ er die Themen, die die Fachszene über die Jahre bewegten und sein Wirken bestimmten – als Vorsitzender und als Chefarzt der Kraichtal-Kliniken –, Revue passieren. Nach der Wiedervereinigung 1989 stand der Ausbau von Versorgungsstrukturen im Osten Deutschlands im Vordergrund. Das Medikament Campral (Wirkstoff Acamprosat) zum Einsatz bei Alkoholabhängigkeit kam auf den Markt und sorgte für Unruhe bei den auf Abstinenz ausgerichteten Suchtreha-Kliniken. Ein Meilenstein war die Modernisierung des Verbandes im Jahre 1994: Der damalige „Verband der Fachkrankenhäuser für Suchtkranke“ gab sich eine neue Satzung und einen neuen Namen: Er hieß nun Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe – buss.

Weitere bestimmende Themen waren die Einführung des Qualitätssicherungsprogramms der Rentenversicherung mit dem „5-Punkte-Programm“ 1994 und die Reha-Krise ab 1997 in Zusammenhang mit dem Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz, das zur Einführung des Reha-Budgets und zu Therapiezeitverkürzungen führte. Im Jahr 2000 wurde auf Betreiben von Dr. Beutel die Deutsche Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Suchttherapie (deQus) gegründet. Die Geschichte gab ihm recht: Seit September 2012 gilt die Zertifizierungspflicht in Suchtkliniken. Seit 2010 ist das von der deQus angebotene Zertifizierungsverfahren von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) anerkannt. Im Vorstand der deQus bleibt Dr. Beutel weiterhin aktiv.

Neue Süchte und Therapie- und Forschungsansätze tauchten auf, die der Verband unter anderem in seinen Tagungsthemen aufgriff: Therapie und Arbeit, Pathologisches Glücksspiel, Internetsucht, Neurobiologie, Suchthilfe in Europa, um nur einige zu nennen. 2003 feierte der Verband sein 100-jähriges Bestehen, 2014 fand in Berlin die 100. Jahrestagung statt.

2007 erbte der buss den Nachlass des Projektes „Frühwarnsystem zur Erfassung von Veränderungen der Missbrauchsmuster chemischer Substanzen in der Bundesrepublik Deutschland“ von Professor Wolfram Keup. Seit 2010 wird aus diesem Nachlass alle zwei Jahre der „Wolfram-Keup-Förderpreis“ für die beste wissenschaftliche oder praxisorientierte Arbeit auf dem Gebiet der Suchttherapie öffentlich ausgeschrieben und vergeben.

Entwicklung der S3-Leitlinie zur Behandlung von Alkoholabhängigkeit

In den letzten Jahren hat sich Dr. Beutel intensiv an der Entwicklung der S3-Leitlinie zur Behandlung von Alkoholabhängigkeit beteiligt und mit der Frage nach Wirksamkeit und Evidenz in der Suchtbehandlung auseinandergesetzt. Nach außen manifestierte sich dies im Thema der diesjährigen Jahrestagung im März, das lautete: „Wie evidenzbasiert kann ganzheitliche Therapie sein?“ In seiner Eröffnungsrede nannte Dr. Beutel das Spannungsverhältnis von Evidenzbasierung und ganzheitlicher Therapie „ein Grundproblem der Medizin, das bei psychischen Erkrankungen nur am deutlichsten zu Tage tritt. Wie verbinden wir evidenzbasierte Medizin mit ganzheitlicher Behandlung, mit Menschlichkeit, mit Verstehen, mit Begleitung?“

Es kommt darauf an, die verschiedenen Ansätze zu integrieren und den Gesamtzusammenhang im Blick zu behalten. Einer, der sich von Moden und Wellen nicht irritieren ließ, aber stets den Puls der Zeit erkannte, verabschiedet sich jetzt aus der ersten Reihe. Der Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe dankt Dr. Martin Beutel sehr herzlich für seinen langjährigen Einsatz. Von Weitblick und modernem Denken zeugte auch Dr. Beutels Idee, die Sucht-Fachzeitschrift KONTUREN durch den buss als Online-Magazin www.konturen.de herauszugeben – einer von vielen Impulsen, die das Verbandsgeschehen auch in Zukunft prägen werden.

Der neue Vorstand

Als Nachfolgerin von Dr. Beutel und neue Vorsitzende des buss wurde Dr. Wibke Voigt, Chefärztin der Fachklinik St. Vitus GmbH, Suchtfachklinik für Frauen, Visbek, gewählt. Der Vorstand besteht nun bis zur nächsten regulären Wahl im März 2017 neben der Vorsitzenden Dr. Voigt aus den beiden stellvertretenden Vorsitzenden Gotthard Lehner (Fachklinik Haus Immanuel) und Dr. Bernd Wessel (Essen) sowie den weiteren Vorstandsmitgliedern Karin Feugmann (Fachkliniken Peterhof und Scheifeshütte), Christian Heise (Baden-Württembergischer Landesverband für Rehabilitation und Prävention bw-lv), Johannes Müller (Klinikum Oberberg), Andreas Reimer (Deutscher Orden Suchthilfe), Petra Sarstedt-Hülsmann (Lukas-Werk Gesundheitsdienste) und Olaf Szakinnis (Fachklinik Klosterwald).

Simone Schwarzer/Redaktion, 13.04.2015