Abbau von Plätzen für stationäre Entgiftung und Qualifizierten Entzug

Der Bundesverband Suchthilfe e. V. (bus.) erhielt in den letzten Monaten vermehrt Rückmeldungen von seinen Mitgliedseinrichtungen, dass sich die Wartezeiten für eine Entgiftung oder qualifizierte Entzugsbehandlung vor Antritt einer Entwöhnungsbehandlung deutlich verlängert haben und in kooperierenden Kliniken entsprechende Behandlungsplätze reduziert bzw. Abteilungen geschlossen werden.

Vor diesem Hintergrund führte der bus. eine Online-Abfrage unter seinen Mitgliedseinrichtungen durch, um zu erfassen, ob es sich um eine lokale Problematik handelt, oder ob sie im gesamten Bundesgebiet besteht. 54 Einrichtungen haben an der Umfrage teilgenommen. Davon gab fast die Hälfte (25 Einrichtungen; 46,3 %) an, dass sie eine Reduzierung der Plätze für Entgiftungs- und qualifizierte Entzugsbehandlungen in ihrem Umfeld beobachten. Als Gründe hierfür wurden sowohl Umstände der Corona-Pandemie als auch systemimmanente Faktoren benannt:

Infolge notwendiger Hygienevorgaben wurde eine Einzelzimmerunterbringung erforderlich. Entgiftungsplätze wurden für die Behandlung von COVID 19-Patient:innen umgewidmet. Entgiftungsstationen mussten aufgrund von Personalausfällen bzw. Fachkräftemangel vorrübergehend schließen.

Daneben wird jedoch auch berichtet, dass Entgiftungsplätze im Bereich der Psychiatrie abgebaut werden zu Gunsten von Entgiftungen im somatischen Bereich. Ein deutlicher Abbau ist bei Entgiftungsplätzen für Kinder und Jugendliche zu beobachten!

Als weitere Problemlagen wurden der Rückgang der Zuweisungen im „Nahtlos-Verfahren“ sowie die deutliche Kürzung der Entgiftungszeiten durch den Medizinischen Dienst benannt. Unklar bleib, inwieweit es sich hier um Auswirkungen des neuen Psychiatrie-Entgeltsystems (PEPP – Entgeltsystem Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, OPS – Operationen- und Prozedurenschlüssel) und des MDK-Reformgesetztes handelt.

Zumindest für den Bereich der qualifizierten Entgiftung von Kindern und Jugendlichen ist ein solcher Zusammenhang belegbar. Entgiftungsplätze für Kinder von zwölf bis 14 Jahren mussten stillgelegt werden, da in den hierfür gültigen OPS zwingend eine kinder- und jugendpsychiatrische fachliche Leitung gefordert wird.

Weiterhin ist anzunehmen, dass es infolge der einzuhaltenden Personaluntergrenzen, des hohen Fachkräftebedarfs (durch die unbedingt notwendige Umsetzung der Psychiatriereform) und der damit verbundenen Ambulantisierung zu Verschiebungen von Fachpersonal in Richtung der allgemein psychiatrischen Versorgung kommt.

Nach dieser ersten Einschätzung der aktuellen Situation der Entgiftungs- und Entzugsbehandlungsplätze wird der bus. die weitere Entwicklung kritisch verfolgen und z. B. über Nachfragen bei der Selbsthilfe, den Krankenhausgesellschaften und den anderen Suchtfachverbänden verifizieren. Zudem wird er die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen informieren. Auch das im Mai anstehende Gespräch der Suchtfachverbände mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, Burkhard Blienert, wird der bus. nutzen, um das Thema darzustellen.

Thomas Hempel, Therapiehilfe gGmbH, Hamburg; Vorstandsmitglied Bundesverband Suchthilfe e. V., 19.4.2022