Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (Hg.)

Jahrbuch Sucht 2014

Lengerich: Pabst Science Publishers 2014, 324 S., ISBN 978-3-89967-916-8, EUR 10,00

9783899679168Das Jahrbuch Sucht 2014 fasst die neuesten Statistiken zum Konsum von Alkohol, Tabak und Arzneimitteln sowie zu den Themen Glücksspiel, Delikte unter Alkoholeinfluss und Suchtmittel im Straßenverkehr zusammen. Es informiert über die Versorgung und Rehabilitation Suchtkranker und beleuchtet die Themen „Menschen mit geistiger Behinderung und Suchtmittelkonsum“, „Argumentationsstrategien der Tabak-, Alkohol- und Glücksspielindustrie“ sowie die Be-Marlboro-Kampagne von Philip Morris. Außerdem liefert das Jahrbuch Sucht 2014 ein umfangreiches Adressverzeichnis deutscher und europäischer Einrichtungen im Suchtbereich.

Anlässlich des Erscheinens des aktuellen Jahrbuches kommentiert die Herausgeberin, die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), die Drogensituation in Deutschland:

Viel Schatten, wenig Licht

Die im letzten Jahr wieder gestiegene Zahl der Drogentoten ist längst nicht die einzige schlechte Nachricht, die Suchtexperten derzeit verkünden müssen. Denn häufig wird übersehen, dass durch Alkohol- und Tabakkonsum über hundertmal so viele Menschen sterben wie durch illegale Drogen. Hinzu kommen Probleme mit Crystal Meth. Auch ist im geplanten Präventionsgesetz keine Suchtprävention aus einem Guss erkennbar. Ein Hoffnungsschimmer ist das gut ausgebaute Suchthilfesystem in Deutschland.

2014 wurden 1.032 Drogentote gezählt, durchschnittlich sind dies drei pro Tag. Nicht eingerechnet werden in Deutschland die jährlich 74.000 Drogentoten durch Alkohol oder durch den kombinierten Konsum von Alkohol und Tabak. Das sind täglich 200 Menschen. Hinzu kommt: An den Folgen des Rauchens allein sterben jedes Jahr zwischen 100.000 und 120.000 Menschen, also knapp 300 Menschen pro Tag und somit das Hundertfache der vielgenannten „Rauschgiftopfer“. Alkohol und Tabak sind und bleiben die Drogen mit dem größten Schadenspotenzial.

Das zu den synthetischen Drogen gehörende Methamphetamin („Crystal Meth“) ist eine billige und schnell wirksame, bei regelmäßigem Konsum sehr gesundheitsschädliche Droge, die vergleichsweise schnell psychisch abhängig macht. Vor allem in den an Tschechien angrenzenden Regionen ist Crystal ein ernstes Problem. Bis zu einem Drittel mehr Ratsuchende wegen Crystal Meth in der Suchtberatung stellen die Mitarbeitenden der Suchthilfe vor große Herausforderungen. Als Reaktion auf diesen Trend reichen Strafverfolgung und Plakataktionen nicht aus!

Der Konsum von Tabak bleibt weiter auf bedenklich hohem Niveau. Allein 2014 wurden knapp 80 Milliarden Fertigzigaretten geraucht. Das heißt: Jeder Bundesbürger – vom Baby bis zum Greis – hat statistisch betrachtet 1.000 Zigaretten geraucht. Insgesamt knapp 40 Milliarden selbstgedrehte Zigaretten noch nicht mitgerechnet. Andere europäische Länder reagieren auf das hohe Konsumniveau mit weiterreichenden Regulierungen. Nach Großbritannien und Irland hat auch Frankreich ab 2016 neutrale Verpackungen für Zigarettenschachteln angekündigt. Auch bei der Abschaffung von Zigarettenautomaten hinkt Deutschland dem Trend in Europa hinterher: Von den eine Million Zigarettenautomaten in der EU stehen über 400.000 in Deutschland. Zumindest bei Kindern und Jugendlichen haben sich in den letzten Jahren positive Entwicklungen gezeigt. Ihre Raucherquote ist heute deutlich geringer als vor 15 Jahren. Aber die E-Zigarette, die bislang nicht dem Jugendschutz unterliegt, kann diesen Trend umkehren: Kinder und Jugendliche üben mit den vermeintlich harmlosen Produkten das Rauchritual ein. Das kann der erste Schritt in Richtung herkömmliche Tabakzigaretten sein.

Die Zahlen zu Suchtmittelkonsum und -gefährdung legen nahe, dass Deutschland ein effektives Präventionsgesetz braucht, in dem die Alkohol- und Tabakprävention oberste Priorität hat. Doch das ist im Gesetzentwurf nicht erkennbar. Erfolgreiche Suchtprävention muss sowohl die individuelle Person als auch deren Lebensbedingungen berücksichtigen. Das heißt: Verhaltens- und Verhältnisprävention müssen flächendeckend und kontinuierlich eingesetzt werden, damit Deutschland endlich die internationalen Spitzenplätze im gesundheitsschädlichen Konsum legaler Drogen verlässt. Ein Präventionsgesetz aus einem Guss ist nötig.

Die Nachfrage zur Behandlung steigt. Deutschland verfügt über ein ausgezeichnetes Hilfesystem – von Prävention über Beratung und Behandlung bis hin zur Nachsorge und Selbsthilfe. Kernstück der Hilfen sind dabei die ca. 1.300 Suchtberatungs- und Behandlungsstellen, etwa 300 psychiatrische Institutsambulanzen, rund 800 Einrichtungen der Eingliederungshilfe sowie rund

500 (ganztags) ambulante und 320 stationäre Therapieeinrichtungen und 8.000 Sucht-Selbsthilfegruppen. Doch die Anforderungen und der Bedarf steigen. Die größte Nachfrage nach Suchtbehandlung oder -beratung besteht in Deutschland nach wie vor im Zusammenhang mit Alkoholmissbrauch. Viele Einrichtungen der Suchthilfe begegnen daneben zum Beispiel auch der wachsenden Anzahl hilfesuchender Cannabiskonsumenten/-innen und deren Angehörigen mit guten Konzepten und Erfolgen. Zur Sicherstellung der Versorgung gehört jedoch eine gesicherte Finanzierung: Insbesondere die Förderung der Beratungsstellen ist abhängig von Budgets der Kommunen und seit Jahren nicht mehr der Kostenentwicklung angepasst. Die Struktur der Beratungsstellen muss endlich auf eine finanziell gesicherte Basis gestellt werden.

Pressestelle der DHS, 13.05.2015