Projekt VVSub

Zum Jahresende 2018 hat die Werkstatt PARITÄT das von der Baden-Württemberg-Stiftung und dem Sozialministerium geförderte Projekt „VVSub – Verbesserung der behandlungsbezogenen und teilhabeorientierten Vernetzung in der Substitutionsbehandlung“ abgeschlossen. Der Abschlussbericht steht zum Download zur Verfügung.

Während nach den Vorstellungen der ersten Substitutionsrichtlinien die Substitutionsbehandlung bei Opiatabhängigkeit nur mit dem Ziel einer schrittweisen (Wieder-)Herstellung einer Betäubungsmittelabstinenz erfolgen sollte, hat sich inzwischen die Substitution zunehmend zu einem Dauerbehandlungsangebot entwickelt. Die politische Diskussion zum Thema Substitution dreht sich derzeit überwiegend um Fragen der Versorgungssicherstellung. Diskutiert werden:

  • die Sicherstellung einer möglichst wohnortnahen ärztlichen Versorgung,
  • die Lockerung / Entschärfung der strafrechtlichen Risiken und von Behandlungs- und Verfahrensregeln,
  • eine unzureichende Leistungsfinanzierung (eben auch ohne Berücksichtigung der Vernetzungsleistungen, die zur Erreichung der gestuften Zielebenen der ärztlichen Substitution notwendig sind).

Durch die Fokussierung auf diese legitimen und notwendigen Perspektiven der Behandelnden rücken aber in der suchtpolitischen Diskussion die nicht weniger wichtigen Fragen einer qualifizierten und patientenorientierten Behandlung und damit die durch die Opiatabhängigkeit meist stark chronifizierte Lebenslage der Betroffenen zu oft in den Hintergrund. Folgende Aspekte sind wichtig und müssen berücksichtigt werden:

  • Substitution ist der Versuch einer Alltagsstabilisierung durch Stabilisierung des Suchtmittelkonsums. Damit erfolgt aber auch eine suggestive Verstärkung der Bedeutung solcher psychotroper Substanzen für die Selbstregulation dieser Menschen.
  • Nach aller Erfahrung braucht jede Form von Substanzabhängigkeit als bio-psycho-soziale Störung einen mehrdimensionalen Behandlungsansatz. Gerade weil die Substitution selbst immanent nahezu keinen Anreiz für eine relevante Konsumreduzierung bieten kann, muss sie sich – neben einer korrekten Substanzvergabe – vorrangig um eine bestmögliche ganzheitliche Stabilisierung der Gesundheit dieser Patienten und dann aber auch um Verbesserungen ihrer beruflichen / sozialen Teilhabe durch Leistungsvernetzungen bemühen.

Wenn wir nach inzwischen zwei Jahrzehnten breiter Erfahrung mit diesem Behandlungsangebot konstatieren müssen, dass die Opiatsubstitution inzwischen als eine durchaus auch langfristige Basis für eine wesentliche gesundheitliche Stabilisierung und für nachhaltige Verbesserungen sozialer und beruflicher Teilhabe dieser Menschen mit ihren oft hochkomplexen Beeinträchtigungen verstanden wird, dann muss aus sozialpolitischer Perspektive die Opiatsubstitution noch viel stärker als in ihren Anfangsjahren strukturell konsequent teilhabeorientiert gestaltet werden! Eine solche umfassend teilhabeorientierte Opiatsubstitution kann nicht mehr nur von einem Arzt gestaltet werden, sondern dafür sind konzeptionelle Grundlagen und konkrete Maßnahmen in der ärztlichen Behandlung und in der psychosozialen / suchtrehabilitativen Unterstützung notwendig. Und das geht nicht ohne sozialpolitisch konsequent geförderte integrierte Versorgungsstrukturen!

Die derzeitigen rechtlichen Regelungen / Kontrollstrukturen und Qualitätsanforderungen für die Substitutionsbehandlung orientieren sich überwiegend am Bild von szenenahen und in hohem Maß dissozialen Drogenabhängigen und übersehen dabei, dass landesweit knapp ein Drittel aller von der Suchthilfe betreuten Substituierten eben auch erwerbstätig ist. Gleichzeitig bietet die Versorgungsstruktur insgesamt aber oft nur wenige glaubwürdige Anreize und nachhaltige Unterstützungen, damit auch Substituierte in chronifizierten Lebenslagen für sie nutzbare Chancen zu einer verbesserten beruflichen und sozialen Teilhabe finden können; nicht selten sind Substituierte wegen des von ihnen genutzten Stabilisierungskonzeptes pauschal von Leistungen zur Förderung einer Arbeitsintegration oder einer medizinischen Suchtrehabilitation ausgeschlossen. Kurzzeitige Beschäftigungsmaßnahmen werden dann oft vor allem wegen einer geringen finanziellen Verbesserung des Lebensalltags genutzt.

Aus der AG Substitution des Sozialministeriums Baden-Württemberg, in der seit vielen Jahren praktisch alle mit der Opiatsubstitution befassten Institutionen des Landes konstruktiv zusammenarbeiten, kam deshalb der Impuls, mit einem kleinen Projekt die derzeit vorhandenen Initiativen zur Verbesserung der behandlungsbezogenen und teilhabeorientierten Vernetzung in der Substitutionsbehandlung zu begleiten und auf eine Übertragbarkeit zu untersuchen.

Der jetzt vorliegende Abschlussbericht der Werkstatt Parität gGmbh Stuttgart für dieses Projekt skizziert die Ideen und die Umsetzungserfahrungen aus den fünf Standorten in Baden-Württemberg. Im dritten Kapitel dieses Projektberichts hat die Projektgruppe aus ihrer dreijährigen Kooperationserfahrung in zehn Thesen gemeinsame Einschätzungen zum fachlichen Verständnis sowie zur notwendigen Weiterentwicklung einer teilhabeorientierten Opiatsubstitution und auch zu deren Verortung in den Versorgungsstrukturen formuliert, die auch über die spezifische Versorgungssituation in Baden-Württemberg hinaus hilfreich sein können. Diese versorgungspolitischen Empfehlungen sollen einer Realität entgegenwirken, in der die Substitutionsbehandlung eine Ausgrenzung der Substituierten aus ernsthafter gesellschaftlicher Teilhabe oft eher verfestigt.

Karl Lesehr, Werkstatt Parität gGmbh, Fachliche Leitung des Projekts VVSub, 22.03.2019