Fachtagung „Cannabis Future“

Podiumsdiskussion über die geplante Cannabislegalisierung in Deutschland: Carmen Wegge (SPD), Kristine Lütke (FDP), Kirsten Kappert-Gonther (Grüne), Christina Berndt (Moderation), PD Dr. Eva Hoch (IFT München), Dr. Jakob Manthey (ZIS Hamburg) (v.l.n.r.)

Am 24. Juni veranstaltete der Therapieladen e. V. in der Berliner Charité zusammen mit dem IFT München, dem ZIS Hamburg und der delphi Gesellschaft Berlin die Fachtagung „Cannabis Future – Die Deutsche Cannabispolitik im Wandel“. Internationale Wissenschaftler:innen*, die ihre Untersuchungen über die Entwicklungen in den USA, Kanada und Uruguay vorstellten, plädierten übereinstimmend dafür, dass aufgrund ihrer Erfahrungen gewinnorientiert arbeitende Verkaufsstellen in Deutschland unbedingt verhindert werden sollten.

Der Zielkonflikt zwischen guten Geschäftserträgen und einem sensiblen Umgang mit einem gesundheitlich nicht ganz unbedenklichen Produkt darf nicht unterschätzt werden, so das Resümee der Vortragenden:

  • Die kaum gezügelte Kommerzialisierung des Verkaufsgeschehens in den USA bildet dort die Grundlage für eine inzwischen schier unüberschaubare Ausweitung der Produktpalette THC-haltiger Produkte und Darreichungsformen.
  • Kanada hatte versucht, eine solche Fehlentwicklung durch eine Zielfokussierung der Legalisierung auf Public Health und durch entsprechende gesetzlich festgelegte verhältnispräventive Maßnahmen zu vermeiden. Inzwischen hat der Druck in Richtung Kommerzialisierung seitens der Cannabisindustrie auf die Regierung jedoch so zugenommen, dass die getroffenen Regulierungsmaßnahmen erodieren.
  • Obwohl in Uruguay der gesetzliche Rahmen der Legalisierung sehr restriktiv ausgestaltet ist, kam von hier ebenfalls der Hinweis, auch bei liberaleren Gesetzesausgestaltungen keine Gewinnorientierung in den Verkaufsstellen zuzulassen.
  • Auf das in der kanadischen Provinz Québec etablierte Modell der staatlich geführten Verkaufsstellen wurde in der Debatte immer wieder als Orientierungshilfe für Deutschland verwiesen.

In Deutschland macht die Suchthilfe in Bezug auf Interessenkonflikte von Anbietern seit Jahren leidvolle Erfahrungen im Bereich Glücksspiel. Der Zielkonflikt von Glücksspielanbietern zwischen den gesetzlichen Vorgaben zur Prävention und der Gewinnorientierung der Spielstätten wird dahingehend „gelöst“, dass der Prävention in der Regel eher eine Feigenblattfunktion zukommt, weil ernsthaftes präventives Handeln natürlich zu eklatanten Umsatzeinbußen führen würde.

Während bei dem Anbau, Handel und Transport von Cannabis Marktgesetze, reglementiert durch gesetzlich definierte Rahmenbedingungen, zur Anwendung kommen könnten, ist aus Gründen von Public Health bei den Verkaufsstrukturen unbedingt auf gewinnorientierte Geschäftsmodelle zu verzichten. Gerade auch, weil die Bundesregierung als vorrangiges Ziel der Gesetzesänderung den Gesundheits-, Jugend- und Verbraucherschutz betont.

Für viele Menschen ist der Cannabiskonsum eine temporäre Erscheinung in einem bestimmten Lebensabschnitt, der bei den meisten Konsument:innen aufgrund einer persönlichen Entscheidung problemlos beendet wird. Gewinnorientierte Verkaufsstellen wie z. B. in den USA sind jedoch daran interessiert, dass der Punkt des Aufhörens immer weiter nach hinten geschoben wird oder gar nicht eintritt. Dazu werden immer neue Produkte auf den Markt gebracht oder es greifen die klassischen Maßnahmen zur Kundenbindung. Diese sind nötig, um den Umsatz zu steigern und im Wettbewerb bestehen zu können. Aus Sicht von Public Health ist dies jedoch kontraindiziert und unbedingt zu vermeiden.

Bei Cannabis handelt es sich um eine psychoaktive Substanz, die durchaus gesundheitliche Risiken bergen kann. Die Abgabe dieser Substanz darf deshalb keinen kommerziellen Interessen unterliegen, deren Ziel u. a. eine Steigerung der Umsätze ist. Als Alternative wären z. B. Abgabestellen in gemeinnütziger Trägerschaft, die keine Gewinninteressen verfolgen, oder – analog dem etablierten Modell in der kanadischen Provinz Québec – staatlich geführte Verkaufsstellen vorzuziehen.

*Prof. Dr. Rosalie Pacula, Professor of Health Policy and Management, Elizabeth Garrett Chair of Health Policy, Economics and Law; University of Southern California / USA
Prof. Dr. Rosario Queirolo, Department of Social and Political Sciences, Universidad Católica del Uruguay / Montevideo
Prof. Dr. Jürgen Rehm, Executive Director of the Institute for Mental Health Policy Research and Senior Scientist at the Campbell Family Mental Health Research Institute at the Centre for Addiction and Mental Health, Toronto, Kanada

Kontakt:

Wolfgang Rosengarten
w.rosengarten@t-online.de

Angaben zum Autor:

Wolfgang Rosengarten ist Leiter des Referats Prävention, Suchthilfe im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration in Wiesbaden. Vorher war er über 20 Jahre Geschäftsführer der Hessischen Landesstelle für Suchtfragen e. V. (HLS) in Frankfurt am Main.