Mehr als eine Million wohnungslose Menschen in Deutschland

Zum Auftakt ihrer Bundestagung vom 19. bis 21. November 2025 in der Urania Berlin stellte die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. (BAG W) ihre aktuelle Hochrechnung zur Zahl der wohnungslosen Menschen in Deutschland vor. Diese umfasst die Jahre 2023 und 2024 sowie die Stichtagszahlen zum 30. Juni 2023 und 30. Juni 2024 – mit alarmierenden Ergebnissen.

Im Verlauf des Jahres 2024 waren 1.029.000 Menschen in Deutschland wohnungslos (2023: 928.000). Rund 56.000 von ihnen lebten ganz ohne Unterkunft auf der Straße (2023: 54.000). Zum Stichtag 30. Juni 2024 waren 760.000 Menschen betroffen (2023: 681.000).

Der generelle Trend einer besorgniserregenden Zunahme der Wohnungslosigkeit hält unvermindert an. Aus den Jahresgesamtzahlen ergibt sich ein Anstieg um 11 Prozent zwischen 2023 und 2024. Deutlich stärker ist der Zuwachs von 2022 auf 2023 mit 53 Prozent. Allerdings ist dieser teilweise bedingt durch eine verbesserte Erfassung wohnungsloser Geflüchteter in Nordrhein-Westfalen seit 2023.

Die Hochrechnung unterscheidet zwischen dem öffentlichen und dem frei-verbandlichen Sektor. Demnach ist die Mehrheit der wohnungslosen Menschen im öffentlichen Sektor zu finden. Circa 840.000 Personen sind ordnungsrechtlich durch Städte und Kommunen untergebracht. Ihre Zahl stieg von 2022 auf 2023 um 68 Prozent und von 2023 auf 2024 um weitere 12 Prozent. Gründe dafür sind unter anderem die anhaltende Zuwanderung nach Deutschland sowie der angespannte Wohnungsmarkt, der den steigenden Bedarf an bezahlbarem Wohnraum nicht auffangen kann.

Struktur der Wohnungslosigkeit: Zugewanderte Menschen und Familien besonders betroffen

Laut Hochrechnung der BAG W waren im Jahr 2024 rund 765.000 der wohnungslosen Personen Erwachsene (74 Prozent), darunter 465.000 Männer (61 Prozent) und 300.000 Frauen (39 Prozent). Rund 264.000 Kinder und Jugendliche unter 18 (26 Prozent) waren wohnungslos. Sie lebten mehrheitlich zusammen mit ihren Eltern und waren institutionell untergebracht (s. Abb.).

820.000 wohnungslose Menschen (80 Prozent) besaßen 2024 keine deutsche Staatsbürgerschaft, darunter waren 55.000 Personen mit einer EU-Staatsbürgerschaft und 765.000 Personen mit einer anderen Staatsbürgerschaft (oder staatenlos). Besonders stark gestiegen ist die Zahl der wohnungslosen Personen aus Nicht-EU-Staaten (+14 Prozent gegenüber 2023). Der Anteil der wohnungslosen Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit beträgt 209.000 Personen (20 Prozent).

40 Prozent aller wohnungslosen Menschen (412.500 Menschen) lebten in Einpersonenhaushalten. 60 Prozent (616.500) lebten in Mehrpersonenhaushalten. Vor allem der Anteil wohnungsloser Menschen in Mehrpersonenhaushalten hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Dies ist vor allem auf die steigende Zahl an wohnungslosen anerkannten Geflüchteten zurückzuführen. Nicht-deutsche Personen lebten zu 68 Prozent in Mehrpersonenhaushalten, deutsche zu 27 Prozent.

Gründe und Auslöser der Wohnungslosigkeit

Der Mangel an bezahlbarem und bedarfsgerechtem Wohnraum sowie Armut sind die zentralen Gründe für Wohnungslosigkeit in Deutschland. Der vorhandene Wohnungsbestand kann die stetig steigende Nachfrage nicht decken. Besonders problematisch ist der Rückgang der Sozialwohnungen, der durch jährlich auslaufende Bindungen und einen unzureichenden Neubau weiter anhält. Diese Wohnungen im geförderten Segment sind jedoch unabdingbar für die Versorgung von Haushalten mit niedrigem Einkommen. Fallen sie aus der Sozialbindung, sehen sich Mieter:innen häufig mit steigenden Mieten und in vielen Fällen sogar mit einem drohenden Wohnungsverlust konfrontiert.

Zu den häufigsten Auslösern von Wohnungslosigkeit in Deutschland zählen laut Daten der BAG W Miet- und Energieschulden, Konflikte im Wohnumfeld, Trennung oder Scheidung und Ortswechsel. Wohnungslose Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft hatten mehrheitlich in Deutschland noch nie eine Wohnung.

Angesichts der aktuellen wohnungs- und sozialpolitischen Entwicklungen warnt die BAG W vor einem weiteren Anstieg der Wohnungslosenzahlen: „Die Wohnungslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland hat einen Höchststand erreicht und ein Ende ist nicht in Sicht“, sagt Susanne Hahmann, Vorsitzende der BAG W. „Die Ursachen sind bekannt: zu wenig bezahlbarer Wohnraum, Armut und drohende Kürzungen im sozialen Sicherungssystem. Wenn Politik und Gesellschaft nicht entschieden gegensteuern, werden noch mehr Menschen ihr Zuhause verlieren.“

Hilfeangebote stehen vor Kürzungen

Auch die Wohnungsnotfallhilfe steht unter Druck: Laut einer aktuellen Umfrage der BAG W sind 17 Prozent aller Einrichtungen und Dienste bereits von finanziellen Kürzungen bedroht oder betroffen. Unter diesen befinden sich nicht nur verschiedene Angebote der Notversorgung, sondern auch präventive Hilfen, deren Kernaufgabe es ist, Wohnungsverluste zu verhindern.

Elfriede Brüning, Leiterin der Zentralen Beratungsstelle für Menschen in Wohnungsnot Berlin, warnt: „Schon jetzt fehlen uns zwei Beratungskräfte, sodass in der Sprechzeit nicht alle Anfragen bedient werden können. Vermittlungen in andere Einrichtungen sind kaum möglich. Auch sie arbeiten längst am Rande der Kapazitäten. Teilweise wird sogar eher noch zu uns vermittelt, beispielsweise aus der gekürzten Jugendhilfe oder aus Behörden mit zu wenig Personal.“

BAG W fordert entschlossenes Handeln der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat sich mit dem Nationalen Aktionsplan zum Ziel gesetzt, Wohnungslosigkeit bis 2030 zu überwinden. Der Anstieg der Jahresgesamtzahl auf über eine Million wohnungslose Menschen zeigt, welche Kraftanstrengungen für die Realisierung dieses Ziels notwendig sein werden. Dringendes Handeln ist jetzt erforderlich, um den Trend zu stoppen und das im Aktionsplan festgelegte Ziel zu erreichen. Die BAG W fordert:

  • Ausweitung des Bestands preiswerter Wohnungen und des Sozialwohnungsbaus sowie wirksame Maßnahmen zur Dämpfung der Mietpreisentwicklung
  • Verbindliche Quoten für die Wohnraumversorgung akut wohnungsloser Haushalte
  • Ausbau eines flächendeckenden Präventionsnetzes, das Menschen frühzeitig unterstützt, bevor sie ihre Wohnung verlieren
  • Keine Kürzungen im Bereich der Wohnungsnotfallhilfe, da diese Angebote essenziell für die Versorgung wohnungsloser Menschen sind
  • Keine Verschärfung der Sanktionspraxis im Rahmen der neuen Grundsicherung, da härtere Sanktionen direkt zu Wohnungsverlust führen
  • Weitere Verbesserung der Datenerhebung und -auswertung auf Bundesebene, um das tatsächliche Ausmaß der Wohnungslosigkeit präziser erfassen und Entwicklungen frühzeitig erkennen zu können

Angesichts der alarmierenden Zahlen warnt die BAG W eindringlich vor einem weiteren Anstieg der Wohnungslosigkeit. Jetzt ist die Zeit, entschlossen zu handeln und soziale Verantwortung ernst zu nehmen: „Unsere Zeit stellt uns vor bedeutsame soziale Fragen und Unsicherheiten“, sagt Susanne Hahmann, Vorsitzende der BAG W. „Mehr denn je braucht es ein klares Bekenntnis zum Sozialstaat und zum Schutz der Menschenwürde. Wir wollen Solidarität sichtbar machen, gemeinsam Lösungen entwickeln und die alarmierenden Zahlen nicht nur als Statistik sehen, sondern als Anstoß zum konkreten Handeln.“

Pressestelle der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. (BAG W), 17.11.2025