Jugendkriminalität in Niedersachsen

Im Jahr 2024 hat das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) bereits zum sechsten Mal die repräsentative Dunkelfeldstudie zur Jugendkriminalität durchgeführt. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden 9 202 Schüler*innen der neunten Klasse zu Täter*innen- und Opferschaft in Bezug auf Eigentums- und Gewaltdelikte befragt. Darüber hinaus wurden auch andere Formen abweichenden oder risikoreichen Verhaltens erhoben, darunter der Konsum von Alkohol und Drogen sowie das Mitführen von Waffen. Zusätzlich erfasste die Studie rechtsextreme Orientierungen und Verhaltensweisen. Die Ergebnisse zeichnen ein differenziertes Bild der aktuellen Jugenddelinquenz in Niedersachsen und ihrer Entwicklung in den vergangenen Jahren. Unter folgendem Link kann der Bericht eingesehen und heruntergeladen werden: https://kfn.de/publikationen/kfn-forschungsberichte/

Dem Bericht entnommene Zusammenfassung der Ergebnisse (S. 1-2)

Beim Niedersachsensurvey 2024 wurden Daten von 9 202 Neuntklässler*innen erhoben (siehe Kapitel 3.2). Die Rücklaufquote beträgt 52.9 % und liegt damit über dem Niveau der Vorjahre. Dabei muss bedacht werden, dass ausschließlich Schulen einbezogen wurden, die bereits 2022 teilgenommen hatten.

Es geben 14.8 % der befragten Jugendlichen an, in den letzten zwölf Monaten mindestens einenEigentumsdelikt begangen zu haben, 20.7 % berichten, Opfer geworden zu sein (siehe Kapitel 4.1). Die häufigsten Delikte sind (Laden)Diebstahl und Sachbeschädigung. Die Prävalenzraten auf Täter*innen- und Opferseite bleiben auf dem Niveau von 2022. Der zuvor beobachtete Trend hin zu mehr Täter*innen, aber weniger Opfern setzt sich 2024 nicht fort.

Insgesamt geben 6.7 % der Jugendlichen an, in den letzten zwölf Monaten mindestens eine Gewalttat begangen zu haben, 20.1 % teilen mit, dass sie Opfer geworden sind (siehe Kapitel 4.2). Am häufigsten sind darunter allein begangene Körperverletzungen. Die Täter*innenquote der letzten zwölf Monate sinkt tendenziell, wenngleich 2015 und 2022 bereits ähnlich niedrige Werte beobachtet wurden. Allerdings steigt die Zahl der Opfer im Vergleich zu den vorherigen Erhebungen etwas, bleibt jedoch seit 2022 konstant. Die Diskrepanz zwischen steigender Opfer- und stabiler Täter*innenprävalenz lässt sich nicht allein durch Mehrfachgewalttäter*innen erklären, sondern möglicherweise auch dadurch, dass einzelne Taten zunehmend mehrere Betroffene erzeugen z. B. in Form von Gruppengewalt. 2024 werden 13.9 % der Gewalttaten angezeigt, etwas mehr als 2022, ähnlich wie 2019.

Ersttaten erfolgen zunehmend früher und Täter*innen werden über die Jahre jünger eingeschätzt, eine signifikante Zunahme des Waffeneinsatzes zeigt sich jedoch nicht (siehe Kapitel 4.2.3). Hinweise auf stärkere körperliche Folgen bestehen seit 2019, entsprechen aber bereits früheren Befragungen.

Es geben 32.3 % der Jugendlichen an, vor dem zwölften Lebensjahr in irgendeiner Form physische Gewalt durch ihre Eltern erlebt zu haben (siehe Kapitel 4.2.2.3). In den letzten zwölf Monaten trifft das auf 16.1 % der Jugendlichen zu. Zwischen den Erhebungsjahren 2022 und 2024 ist das Vorkommen von physischer Gewalt in der Kindheit und in den letzten zwölf Monaten  signifikant zurück gegangen.

Während das Erstkonsumalter von Alkohol und Drogen im Jahr 2024 sinkt, nimmt gleichzeitig jedoch auch die Konsumhäufigkeit ab (siehe Kapitel 5.1). Zudem fällt auf, dass Jugendliche E-Zigaretten und Vapes häufiger konsumieren als Zigaretten.

Das Mitführen von Waffen ist seit den letzten drei Erhebungen weitgehend stabil, liegt 2024 jedoch leicht über dem Niveau von 2013/2015 (siehe Kapitel 5.2). Messer werden 2024 seltener als 2022 in der Freizeit getragen, während andere Waffen (z. B. Schlagring, Tränengas/Pfefferspray) wieder etwas häufiger vorkommen, wenngleich nur bei einem sehr geringen Anteil der Jugendlichen.

Etwa jede*r fünfte Jugendliche (22.5 %) berichtet, in den letzten zwölf Monaten Opfer von Bullying gewesen zu sein, wobei verbale und relationale Formen am häufigsten auftreten (siehe Kapitel 5.3). 8 % der Jugendlichen geben an, Bullying ausgeübt zu haben.

Menschenfeindliche und rechtsextreme Einstellungen nehmen im Jahr 2024 im Vergleich zu den letzten beiden Befragungen tendenziell zu (siehe Kapitel 6). Auch diskriminierende Verhaltensweisen und rechte Straftaten sind gestiegen. Rechter Vandalismus zeigt seit 2022 wieder einen tendenziellen Aufwärtstrend, wenngleich die Prävalenz 2019 ähnlich hoch ausfiel.

Jungen begehen tendenziell häufiger Eigentumsdelikte und Gewaltdelikte, haben häufiger einen problematischen Alkohol- und Cannabiskonsum, tragen häufiger Waffen mit sich, mobben ihre Mitschüler*innen häufiger, sind häufiger rechtsextrem und menschenfeindlich eingestellt und verhalten sich häufiger diskriminierend als Mädchen. Mädchen sind häufiger Opfer von Gewaltdelikten und Mobbing als Jungen.

An Gymnasien gibt es insgesamt weniger Täter*innen und Opfer von Eigentums- und Gewaltdelikten als an anderen Schulformen. Auch bezüglich der physischen Gewalterfahrungen im Elternhaus fallen die Anteile niedriger aus. Der Konsum von Alkohol und Drogen sowie das Mitführen von Waffen kommt dort seltener vor. Bullying, rechtsextreme Einstellungen und diskriminierende Verhaltensweisen sind an anderen Schulformen als dem Gymnasium häufiger verbreitet. Dafür berichten Gymnasiast*innen häufiger davon, illegal Dateien aus dem Internet herunterzuladen oder ohne Fahrschein öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.

Jugendliche ohne Migrationsgeschichte und Jugendliche der zweiten Migrationsgeneration begehen ähnlich häufig Eigentumsdelikte. Jugendliche der ersten Generation tun dies seltener. Bei Eigentumsopfern sind Jugendliche mit Migrationsgeschichte beider Generationen stärker betroffen als Jugendliche ohne. Bei Gewaltdelikten treten Jugendliche ohne Migrationsgeschichte am seltensten als Täter*innen auf. Jugendliche der zweiten Generation sind am häufigsten Opfer von Gewaltdelikten, während sich die erste Generation kaum von Jugendlichen ohne Migrationsgeschichte unterscheidet. Beide Migrationsgenerationen berichten häufiger von physischer wie psychischer Gewalt im Elternhaus als Jugendliche ohne Migrationsgeschichte. Jugendliche mit Migrationsgeschichte zeigen insgesamt weniger problematischen Konsum von Alkohol- und Drogen (ausgenommen Cannabis) und tragen seltener Waffen bei sich als Jugendliche ohne Migrationsgeschichte. Zudem werden Jugendliche mit Migrationsgeschichte deutlich häufiger angezeigt als Jugendliche ohne Migrationsgeschichte (siehe Kapitel 4.2.2.2).

Mitteilung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN), 8.10.2025