Alkoholindustrie profitiert vom gesundheitsschädlichen Alkoholkonsum

In der Studie „Das Geschäft mit dem Leid“ kritisiert ein Forschungsteam des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und der Ludwig-Maximilians-Universität München mit deutlichen Worten die Alkoholindustrie. Diese profitiere vor allem von Menschen, deren Alkoholkonsum als riskant oder hochriskant bezeichnet wird und die deshalb mit akuten und chronischen Folgeerkrankungen rechnen müssen. Jedes Jahr sterben rund 17.000 Menschen an den direkten Folgen ihres Alkoholkonsums.

Alkoholindustrie inszeniert sich als Präventionspartner der Politik

Ausgangspunkt der Studie sind die selbstgesteckten Ansprüche der Alkoholindustrie. Diese inszeniere sich als Präventionspartner der Politik, erklären die Forschenden, weil sie vorgibt, sich für einen „verantwortungsvollen Konsum“ alkoholischer Getränke einzusetzen. Auf internationaler Ebene haben sich Verbände und Unternehmen der Alkoholindustrie zur International Alliance for Responsible Drinking (IARD) zusammengeschlossen.

In einem Video der Allianz erklärt ihr Vorsitzender: „Wir sind stolz auf die von uns hergestellten Getränke und möchten sicherstellen, dass sie verantwortungsbewusst konsumiert werden […]. Schädlicher Alkoholkonsum liegt nicht in unserem Interesse; er ist schlecht für die Verbraucher […] und letztendlich auch schlecht für unser Geschäft.“

Mehrheit der Deutschen trinkt im niedrig-riskanten Bereich

Doch die nackten Zahlen sprechen eine andere Sprache. Das Forschungsteam hat mehrere Datensätze zusammengeführt. Diese enthalten Angaben aus repräsentativen Befragungen zum Alkoholkonsum, Daten zum Einkommen der Bevölkerung und ihren Ausgaben für Konsumgüter sowie zu den Umsätzen der Alkoholindustrie. Die Forschenden sind der Frage nachgegangen, welche Umsätze auf unterschiedliche Trinkgruppen entfallen.

Den Ergebnissen zufolge leben 13 Prozent der Erwachsenen abstinent. Eine Mehrheit von 72 Prozent der Deutschen liegt im niedrig-riskanten Konsumbereich. 13 Prozent der erwachsenen Bevölkerung trinken jedoch riskant und 2 Prozent sogar hochriskant.

Als riskanten Konsum bezeichnen die Forschenden 12 bis 40 Gramm Alkohol pro Tag für Frauen und 24 bis 60 Gramm Alkohol für Männer. Zur Einordnung: Ein Standardglas Alkohol enthält etwa 10 bis 12 Gramm Alkohol. Als hochriskant gilt der Alkoholkonsum, wenn Frauen mehr als 40 Gramm und Männer mehr als 60 Gramm Alkohol pro Tag trinken.

15 Prozent der Erwachsenen für die Hälfte des Umsatzes mit Alkohol verantwortlich

Die Minderheit der riskant oder hochriskant trinkenden Bevölkerung erzeugt den Berechnungen zufolge 50 Prozent des Umsatzes mit alkoholischen Getränken in Deutschland. Das ergibt rund 5,7 Milliarden Euro pro Jahr. Allein die kleine Gruppe der hochriskant trinkenden Deutschen stellt gerade einmal 2 Prozent der Bevölkerung, konsumiert aber 17 Prozent des gesamten Alkohols und spült der Alkoholindustrie damit 1,6 Milliarden Euro in die Kassen.

Das Forschungsteam bezeichnet seine eigenen Ergebnisse noch als konservativ. Das bedeutet, die „wahren“ Trinkmengen sind vermutlich noch höher, weil vieltrinkende Menschen ihren Konsum in Umfragen vermutlich eher unter- als überschätzen oder gar nicht erst an der Befragung teilnehmen.

Ähnliche Ergebnisse liegen auch aus anderen Ländern vor. In Australien und Neuseeland wird das Rauschtrinken je nach Definition für 50 bis 65 Prozent der verkauften Alkoholmenge im Land verantwortlich gemacht. Für Thailand wird geschätzt, dass sogar 76 Prozent des Alkoholumsatzes auf gesundheitsschädliche Trinkmuster entfallen.

Forschende sprechen von Interessenkonflikt der Alkoholindustrie

Angesichts ihrer Ergebnisse stellen die Forschenden infrage, wie ernst es die Alkoholindustrie wirklich meint, wenn sie sicherstellen wolle, dass die Menschen „verantwortungsvoll“ ihre Produkte konsumieren. Denn die Alkoholwirtschaft habe offenkundig einen Interessenkonflikt, wenn sie vorgibt, den moderaten Alkoholkonsum fördern zu wollen, ihr Geschäftsmodell aber gleichzeitig darauf abzielt, möglichst viel Alkohol zu verkaufen.

Insbesondere Personen mit hochriskantem Alkoholkonsum erleiden schwerwiegende gesundheitliche Folgen, die sich auch auf die Gesamtwirtschaft auswirken. Geschätzt wird, dass sich der volkswirtschaftliche Schaden durch übermäßigen Alkoholkonsum jährlich auf 57 Milliarden Euro beläuft.

Selbsttest und Beratung zu Alkohol

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Originalpublikation:
Kilian, C., Stübern, N., Schranz, A., Möckl, J., Olderbak, S., Kraus, L. & Manthey, J. (2025). Das Geschäft mit dem Leid – wie viel Umsatz macht die Alkoholindustrie mit Risiko- und Hochkonsum? Sucht, 1-7, https://doi.org/10.1024/0939-5911/a000955.

Quelle: https://www.drugcom.de/, 19.11.2025