Dr. Markus Wenning

Weiterbildungsermächtigungen in Fachkliniken in Westfalen-Lippe

Dr. Markus Wenning

Dr. Markus Wenning

Der Artikel lehnt sich an einen Vortrag an, den der Autor im September 2014 auf der „23. Fachtagung Management in der Suchttherapie“ des Bundesverbandes für stationäre Suchtkrankenhilfe (buss) in Kassel gehalten hat.

Weiterbildungsbefugnisse – oder Ermächtigungen, wie sie in einigen Ärztekammern heißen – machen einen großen Teil der Attraktivität von Kliniken für junge Ärztinnen und Ärzte aus. Eine Klinik oder Abteilung ohne Weiterbildungsbefugnis ist für Ärzte ohne Facharztkompetenz uninteressant. Dieser Artikel zeigt auf, welche Bedingungen für die Erteilung einer Befugnis gelten und welche Besonderheiten in Fachkliniken zu berücksichtigen sind.

Weiterbildung ist der geregelte Erwerb festgelegter Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten, um nach Abschluss des Medizinstudiums besondere ärztliche Kompetenzen zu erlangen (§1 (Muster-)Weiterbildungsordnung). Eine geregelte Weiterbildung soll junge Ärztinnen und Ärzte an eine zunehmend selbständigere Tätigkeit in ihrem Fachgebiet heranführen.

Voraussetzungen für die Erteilung einer Weiterbildungsbefugnis

Führen der Facharztbezeichnung und Berufserfahrung als Facharzt

Die Erteilung einer Weiterbildungsbefugnis durch die Ärztekammern stellt eine Akkreditierung dar, die an besondere Voraussetzungen gebunden ist. Einige Bedingungen leuchten unmittelbar ein. Beispielsweise kann eine Befugnis zur Weiterbildung im Gebiet „Psychiatrie und Psychotherapie“ nur erteilt werden, wenn

  • die Ärztin/der Arzt selbst die Bezeichnung „Psychiatrie und Psychotherapie“ führt (§5 (2) (Muster-)Weiterbildungsordnung) und
  • eine mehrjährige Tätigkeit nach Abschluss der Weiterbildung nachweisen kann (§5 (2) (Muster-)Weiterbildungsordnung).

Die geforderte mehrjährige Tätigkeit nach Abschluss der Weiterbildung trägt der Tatsache Rechnung, dass die Kompetenz eines Facharztes mit Abschluss der Weiterbildung nicht stagniert, sondern durch die berufliche Tätigkeit („Erfahrung“) und Fortbildung erweitert wird. In Westfalen-Lippe sind mindestens zwei Jahre berufliche Tätigkeit nach Abschluss der Weiterbildung erforderlich, um eine Weiterbildungsbefugnis zu bekommen.

Persönliche Eignung

Ferner müssen die Weiterbilderin oder der Weiterbilder „persönlich geeignet“ (§ 5 (2) (Muster-)Weiterbildungsordnung) sein. Die „persönliche Eignung“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der im Einzelfall ausgefüllt werden muss. Dazu zählen didaktische ebenso wie organisatorische Fähigkeiten. An einer persönlichen Eignung fehlt es z. B., wenn nicht wahrheitsgemäße Zeugnisse erstellt werden oder falsche Angaben zur eigenen Leistungsstatistik in Anträgen auf eine Weiterbildungsbefugnis (mit dem Ziel einer möglichst hohen Befugnis) gemacht werden.

Ein zentrales Element der Qualitätssicherung in der Weiterbildung in einem Peer-Review-System ist die Glaubwürdigkeit der Weiterbilder. Ärztekammern, künftige Patienten und Kollegen müssen sich darauf verlassen können, dass Weiterbildungszeugnisse wahrheitsgetreu sind. Anders als in Arbeitszeugnissen sind nicht nur positive Formulierungen möglich, es muss im Gegenteil ein realistisches Bild der Kompetenzen dargelegt werden. Dies schließt ein, auch Defizite oder noch fehlende Weiterbildungsinhalte klar zu benennen. Das Ausstellen fehlerhafter oder bewusst falscher Zeugnisse sowie falsche Angaben zur eigenen Leistungsstatistik in Weiterbildungsanträgen lassen mindestens Zweifel an der Sorgfalt des Antragstellers aufkommen, schlimmstenfalls erfüllen sie den Straftatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung (§ 271 StGB – mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bewehrt).

Gegliedertes Programm für den Weiterbildungsgang

Jedem Antrag auf Weiterbildungsbefugnis ist ein Curriculum („gegliedertes Programm“; § 5 (5) (Muster-)Weiterbildungsordnung) beizufügen. In diesem Programm soll erläutert werden, wie in der Abteilung/Klinik Weiterbildung vermittelt wird.

Beurteilung in einem Peer-Review-Verfahren

Jeder Antrag auf Erteilung oder Erhöhung einer Weiterbildungsbefugnis, jedes Curriculum wird in Westfalen-Lippe von mindestens zwei erfahrenen Weiterbildern beurteilt.

Befristung von Weiterbildungsbefugnissen

Weiterbildungsbefugnisse sollen befristet sein. Die medizinische Versorgung in Deutschland unterliegt einer großen Dynamik. Medizinischer Fortschritt und ökonomische Rahmenbedingungen verändern die Bedingungen, unter denen ärztliche Tätigkeit ausgeübt und damit auch erlernt werden kann. Dies erfordert eine regelmäßige Anpassung der Weiterbildungsbefugnisse. In Westfalen-Lippe werden die Befugnisse für alle Gebiete routinemäßig alle sieben bis acht Jahre angepasst und entsprechend befristet.

Umfang der Weiterbildungsbefugnis

Für die Erteilung einer so genannten „vollen“ Weiterbildungsbefugnis über die gesamte Weiterbildungszeit ist es erforderlich, das gesamte, in der Weiterbildungsordnung abgebildete Spektrum eines Gebietes in qualitativer und in quantitativer Hinsicht abzudecken. Dabei spielt in Westfalen-Lippe auch die Zahl der Weiterbildungsärzte eine Rolle: Erst aus dem Verhältnis von Leistungsstatistik zu Ärzten in Weiterbildung ergibt sich, ob eine ausreichende Weiterbildung vermittelt werden kann. Abteilungen, die quantitativ oder qualitativ nicht das gesamte Spektrum eines Gebietes abdecken, wie dies bei Fachkliniken der Fall ist, können nur eine eingeschränkte Weiterbildungsbefugnis erhalten. Eine Möglichkeit, die volle Weiterbildung zu vermitteln, besteht dann im Zusammenschluss mit anderen Kliniken zu einem Weiterbildungsverbund.

Weiterbildung nur an einer Weiterbildungsstätte

Ein Weiterbildungsarzt soll bei seiner Arbeit jederzeit und unverzüglich einen erfahrenen Facharzt hinzuziehen können. In der Weiterbildungsordnung spiegelt sich dies in dem Umstand wider, dass grundsätzlich kein Arzt eine Weiterbildungsbefugnis erhalten kann, der an mehr als einer Weiterbildungsstelle tätig ist (§ 5 (3) (Muster-)Weiterbildungsordnung). Da zunehmend Chefärztinnen und Chefärzte an mehreren Betriebsstätten tätig sind, ist die Ärztekammer Westfalen-Lippe bei der Vergabe von Befugnissen restriktiv. Ohne fachärztliche Supervision kann keine Weiterbildung erfolgen. Wenn eine Chefärztin/ein Chefarzt an mehreren Betriebsstätten tätig ist, ist die Erteilung einer Weiterbildungsbefugnis in Westfalen-Lippe nur bei folgenden Konstellationen möglich:

  • Nicht der (organisatorische) Leiter der Gesamtabteilung, sondern an den jeweiligen Betriebsstätten tätige Fachärzte beantragen die Weiterbildungsbefugnis.
  • Zusammen mit der Chefärztin/dem Chefarzt beantragen weitere Fachärzte gemeinsam eine so genannte Verbund-Befugnis.

Evaluation der Weiterbildung

Standardisierte Befragungen von Ärztinnen und Ärzten zur Qualität ihrer Weiterbildung werden international verwendet, so in Großbritannien (Roff et al., 2005), in Dänemark (Kodal et al., 2012), Japan (Shimizu et al., 2013) und Deutschland (Korzilius, 2011). Für die Ärztekammern in Deutschland ist die Evaluation der Weiterbildung, wie sie in den Jahren 2009, 2011 (jeweils bundesweit) und 2014 (Baden-Württemberg, Nordrhein, Mecklenburg-Vorpommern, Westfalen-Lippe) durchgeführt wurde, ein wichtiger Bestandteil der Qualitätssicherung der Weiterbildung.

Neben Aussagen über die Qualität der Weiterbildung im Kammergebiet insgesamt oder in verschiedenen Fachgebieten werden für einzelne Abteilungen Berichte erstellt, die Rückschlüsse auf die Qualität der Weiterbildung zulassen (sofern die Befragten einer derartigen Erstellung zustimmen bzw. sich hinreichend viele Ärzte in Weiterbildung beteiligen, so dass ihre Anonymität bei den Antworten gesichert ist). Die Ergebnisse gehen dem Weiterbildungsbefugten zu und ermöglichen die Identifikation von Stärken sowie Schwachstellen und das Aufdecken von Verbesserungspotentialen.

Bereits der Dialog über die Weiterbildung an einer Klinik setzt Verbesserungsprozesse in Gang. Aber ähnlich wie Befragungen zur Patientenzufriedenheit nur sehr indirekt Aussagen über die Qualität der medizinischen Leistungen zulassen, sind die abteilungsbezogenen Evaluationsberichte keine abschließende Beurteilung über die Qualität der Weiterbildung. Sie sind aber Anlass für einen Einstieg in einen strukturierten Dialog mit der Ärztekammer, der Verbesserungsprozesse fördern soll. Dieser strukturierte Dialog erstreckt sich von Einzelgesprächen mit Weiterbildungsbefugten bis hin zu Visitationen, bei denen die Klinik besucht wird und Gespräche mit allen Beteiligten, insbesondere den Ärzten in Weiterbildung, geführt werden.

Auf der Homepage der Ärztekammer Westfalen-Lippe werden die Evaluationsberichte der Kliniken und Praxen veröffentlicht (http://www.aekwl.de/index.php?id=5428, abgerufen am 04.10.2015). Die Weiterbildungsstätten können ihre Evaluationsergebnisse kommentieren und außerdem ihr Curriculum einstellen. Die von den Ärztekammern zur Weiterbildung befugten Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, an Evaluationen und Qualitätssicherungsmaßnahmen zur ärztlichen Weiterbildung teilzunehmen (§ 5 (6) (Muster-)Weiterbildungsordnung).

Visitationen

International sind Visitationen ein anerkanntes Instrument der Qualitätssicherung der Weiterbildung (ACGME). Die „Union Européenne des Médecins Spécialistes“ und die „Permanent Working Group of European Junior Hospital Doctors“ empfehlen Vistationen (UEMS, 1997; PWG). Anlassbezogene Visitationen finden in Großbritannien statt (GMC). Auch die Ärztekammer Westfalen-Lippe nimmt solche anlassbezogenen Visitationen vor. Neben den Ergebnissen der Evaluation können auch konkrete Beschwerden Anlass für einen strukturierten Dialog und in der Folge dann Visitationen sein. Bei den Visitationen wird geprüft, ob das der Ärztekammer vorgelegte Weiterbildungscurriculum tatsächlich gelebt wird und ob die Angaben im Antrag auf Weiterbildungsbefugnis zutreffen. In teils getrennten, teils gemeinsamen Gesprächen mit Weiterbildungsärzten und Weiterbildern wird ein authentisches Bild der Weiterbildungssituation an einer Weiterbildungsstätte erkennbar und ggf. gemeinsam mit den Betroffenen eine Lösungsstrategie erarbeitet.

In bislang ca. 50 Fällen wurden derartige Visitationen in Weiterbildungsstätten in Westfalen-Lippe durchgeführt. In einigen wenigen Fällen wurden Auflagen zur Weiterbildung erteilt, Befugnisse zeitlich eingeschränkt und in einem Fall sogar ganz entzogen. Von den jungen Ärztinnen und Ärzten wurden diese Visitationen positiv aufgenommen, im Nachgang wird von Verbesserungen bei der Weiterbildung berichtet. Eine systematische Analyse wird mit den Ergebnissen der Evaluation 2014 möglich sein.

Wechsel einer Chefärztin/eines Chefarztes

In Westfalen-Lippe erhält eine neue Chefärztin/ein neuer Chefarzt grundsätzlich zunächst eine auf zwölf Monate befristete Befugnis in der Höhe der Weiterbildungsbefugnis der Vorgängerin/des Vorgängers. Nach Ablauf von zwölf Monaten muss dann ein erneuter Antrag mit den eigenen Leistungszahlen des zurückliegenden Jahres gestellt werden.

Gründung einer neuen Abteilung

Ärztinnen und Ärzte, die neu gegründete Abteilungen leiten, erhalten frühestens nach einem Jahr eine Befugnis zur Weiterbildung, auch wird die Abteilung erst nach dieser Zeit als Weiterbildungsstätte zugelassen. Für Weiterbildungsärzte, die in dieser Zeit in der Klinik tätig sind und Wissen erwerben, kann eine individuelle Prüfung der Anrechenbarkeit von Zeiten und Leistungen erfolgen. Die Weiterbildungsärzte sollen keine Nachteile aus der fehlenden Weiterbildungsbefugnis erdulden müssen.

Besondere Situation an Fachkliniken

Fachkliniken haben ein enges Indikationsspektrum, umfassende Befugnisse für die „großen“ Gebiete kommen daher in der Regel nicht in Frage. Hier sollte an die Möglichkeit von Verbundweiterbildungen gedacht werden. In Fachkliniken für Suchttherapie bietet sich eine Verbundweiterbildung mit den Gebieten „Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie“ sowie mit dem Gebiet „Psychiatrie und Psychotherapie“ an. Die „Suchtmedizinische Grundversorgung einschließlich der Substitutionsbehandlung bei Opiatabhängigkeit“ ist integraler Bestandteil der Weiterbildung dieser Gebiete, nicht alle Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie und ‑psychotherapie sowie für Psychiatrie und Psychotherapie können diese Inhalte vermitteln. Für derartige Kliniken ist eine Verbundweiterbildung mit einer Fachklinik für Suchttherapie interessant.

Kontakt:

Dr. med. Markus Wenning
Geschäftsführender Arzt der Ärztekammer Westfalen-Lippe
wenning@aekwl.de
www.aekwl.de

Literatur: